Brindisi – Römer, Reliquien, Allerlei …

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Eine Europa-Reise mit der MS Hamburg

Angekommen in Brindisi, in der Stadt in der Region Apulien, die fast keiner kennt, vielleicht noch als Flughafen für Ferien in Süditalien oder Start- und Zielhafen für Kreuzfahrten, und von der viele behaupten, es gäbe da nichts zu sehen, sie wäre höchstens tauglich als Ausgangspunkt für längere Ausflüge. Entsprechend sind die Bordinformationen auf der MS Hamburg, mit gezielter Info, welch schöne Ausflüge man organisiert machen könne – und somit ist unsere Erwartungshaltung nicht sonderlich groß. Aber wie so oft – genau diese verkannten Städte sind ja bekanntlich für manche Entdeckung und Überraschung gut. Und Brindisi bietet ein ziemliches Spektrum, aus Zeiten der Römer, der Aragonesen, und vor allem Zeugnisse des Christentums – und vor allem ein vielfältiges Alltagsleben.

Vom Anlegeplatz des Schiffes zeigt sich hinter einem Stück Stadtmauer ein zunächst nicht sonderlich schönes Wirrwarr an Gebäuden. Am Ende des Hafengeländes, direkt am Stadteingang, liegt dann aber schon ein weitläufiger, einladender Platz, dort beginnend die zentrale Straße, eine lange Allee mit ziemlich hohen Palmen.

Die Straße ist gesäumt von reich mit Stuck verzierten alten Gebäuden, viele davon mit Erkern, die Balkone mit geschmiedeten und gegossenen Balkongittern, oft mit Motiven, das Straßenbild gut durchmischt mit Beton-Bausünden aus jüngerer Vergangenheit.

Eine Flanierstraße mit netten Seitenstraßen, trotz herrlichem Durcheinander, auch bei den Ladengeschäften entlang der Straße; aber die Palmen führen alles zusammen, zu einem guten Gesamtbild.

Auf einem der zentralen Plätze ist ein sehr gepflegter Trödelmarkt. Die Straßencafés am Theaterplatz sind gut besucht. Es ist eine eher ruhige Betriebsamkeit, keinerlei Hektik.

Auffallend ist immer wieder, wie versucht wird, Grün in die Stadt zu bringen – kleine Plätze vor allem mit Zitrusbäumen und Palmen bestanden, viele davon mit Früchten und Blüten, Straßenbäume, selbst die Verkehrsinseln und Straßenecken sind vielfach bepflanzt, oft mit den auffallenden, imposanten Strelitzien.

Es ist Osterzeit, folglich ist überall in den Bäckereien Ostergebäck zu sehen, vor allem die Scarcella, ein geformter oder geflochtener Mürbteig mit einem gekochten Ei eingebacken. Oft gibt es auch ein merkwürdig ausschauendes Ostergebäck, kaum beschreibbar, zwischen Knubbel und Trichter, fein mit Puderzucker bestäubt, die Campanaru. Eigentlich wollten wir in eine der Bäckereien gar nicht hineingehen – der Name „Snoopy“ hatte für uns nicht die Signalwirkung, dass es da etwas Leckeres gäbe. Aber die Auslage war doch interessant. Eine Bäckerin sieht, wie wir neugierig die verschiedenen Dinge betrachten, und zeigt uns dann den Backraum, in dem gerade Törtchen produziert werden.

Leider ist der Markt, als wir dort ankommen, schon ziemlich zu Ende. Die große Markthalle ist so ziemlich blank geputzt. Nur an einem Stand verkauft ein Fischer noch seinen restlichen Fang. Vor der Halle läuft noch ein wenig der Gemüsemarkt – viel ist es nicht mehr, aber das, was noch angeboten wird, kann sich doch sehen lassen. Eine kleine knackige Zucchini mit Blüte lässt sich noch schnell knabbern, und ein paar Mispeln sind auch lecker.

Fast hätten wir es nicht richtig gewürdigt, hätte nicht eine junge Frau uns darauf hingewiesen: Der Durchgang zum Marktbereich ist mit Brindisi-Motiven bemalt.

Anscheinend das Werk von einem bekannteren Künstler, da sie uns auf die Signatur an verschiedenen Stellen aufmerksam machte.

Es geht quer durch die Stadt. Natürlich sind an allen möglichen Ecken Relikte aus römischen Zeiten zu sehen. Im Osten der Stadt sind noch Teile der antiken Stadtmauer zu sehen, samt einem Stadttor, der Porta Mesagne – mit Mauerwerk aus römischer Zeit und aus dem Mittelalter. Direkt daneben liegt ein mächtiges Bauwerk, die alte römische Zisterne aus dem 1. Jahrhundert.

Diese „vasche limarie“ diente der Reinigung des ankommenden Wassers von Fremdstoffen, vor allem Sedimenten. Das Wasser wurde durch drei speziell konstruierte, miteinander verbundene Becken geführt, jedes etwa 51 Meter lang und 11 Meter breit, bevor es für die öffentlichen Brunnen genutzt wurde. Die Anlage ist noch teilweise zu sehen; leider sind die Gewölbe der Zisternen, einst 5 Meter hoch, verschwunden. Herangeführt wurde das Wasser für die Versorgung der Stadt über ein Aquädukt, über eine Strecke von etwa zehn Kilometern.

Hier im Außenbereich der Stadt überwiegt noch die mittelalterliche Stadtstruktur. Verworrene, enge Gassen, gesäumt von älteren Gebäuden, vom einfachen Wohnhaus bis zu kleineren prächtigeren Villen, einige davon unbewohnt und langsam zerfallend.

In vielen Häusern gibt es noch häufig die typischen kleinen Ladengeschäfte, Metzgereien, Bäckereien, die „Tante-Emma-Läden“ mit allem, was so an alltäglichen Lebensmitteln benötigt wird, Bars und Restaurants, aber auch allerhand Handwerker, Polsterer, Schuhmacher, Schreiner oder Kfz-Werkstätten auf engstem Raum.

Es ist mittlerweile Mittag, und so geht der eine oder andere Rollladen runter, es wird für die Mittagszeit geschlossen. Wir schlendern durch die Stadt – und immer wieder fällt beim Blick in die Häuserzeilen die Vielfalt der Balkongitter auf.

Man ist immer wieder überrascht, wenn noch eine Kirche um die nächste Straßenecke auftaucht, manche geöffnet, andere geschlossen, erstaunlich viele Ruinen dabei. In der Marienkirche Santa Maria degli Angeli, gebaut anfangs des 17. Jahrhunderts, sind ein ein sehr eigenwillig gestalteter Hauptaltar und eine ungewöhnlich bemalte hölzerne Decke zu sehen.

An einem der Seitenaltäre bestaunt man eine Reliquiensammlung, bei der man sich wundert, wie viele Heilige es wohl geben mag und vermutet, dass ziemlich viele davon hier mit vertreten sind.

Sehr beeindruckt sind wir von der ehemaligen Kirche Chiesa di San Paolo Eremita, die für das Diözesanmuseum „Giovanni Tarantini“ genutzt wird, ein Bauwerk, das im 13. Jahrhundert entstand, mit Umbauten bis ins 18. Jahrhundert hinein.

Eine einschiffige Kirche, in der im Innenraum die Epochen zu sehen sind, die diese Kirche erlebt hat – die freigelegten mittelalterlichen Wandfresken, die reich verzierten Stuckaltäre des Barock, die älteren in heller Gipsfarbe gehalten, wie sie im Original gewesen sein sollen, die neueren mit Bemalung. An vielen Überresten der alten Wandbemalung sind noch die Axteinschläge zu erkennen, mit denen die mittelalterlich bemalte Fläche aufgeschlagen wurde, damit der neue moderne Putz der späteren Zeiten besser hält.

Natürlich ist auch hier eine umfangreiche Reliquiensammlung zu sehen; so haben unter anderem haben auch 13 Schädel von Begleiterinnen der Heiligen Ursula den Weg von Köln hierher gefunden.

Aber auch sonst ist die Sammlung eindrucksvoll, wie zum Beispiel eines der Gefäße, das bei der Hochzeit von Kana verwendet worden sei, einem der bedeutendsten Wunder aus dem Johannesevangelium, aber wahrscheinlich stammt das Gefäß doch aus dem 8. Jahrhundert, aus Ägypten; trotzdem etwas Besonderes. Oder der Silberschrein des heiligen Theodor von Amasea aus dem 13. Jh., der einst seine Gebeine beherbergte, eine reich verzierte Silberarbeit mit Illustrationen des damaligen Lebens.

Der Duomo di Brindisi, die Kathedrale San Giovanni Battista, kann uns weniger beeindrucken. Wir beschränken uns auf einen kurzen Blick ins Innere. Gebaut wurde diese Kirche erstmals im 11. Jahrhundert, immer wieder umgestaltet, und nach einem Erdbeben im 18. Jahrhundert im Barockstil wieder aufgebaut.

Inzwischen ist es geradezu angenehm, in einer der Kirchen zu sein, obwohl die Luft da drinnen doch immer etwas stickig ist. Draußen brennt die Sonne in der Mittagszeit geradezu vom Himmel. Mit dem Auge wirken die Farben von all dem, was zu sehen ist, sehr intensiv – und mit dem Foto fast übertrieben kitschig.

Eines der bedeutenden Wahrzeichen von Brindisi sind die beiden Säulen aus der Zeit der Römer oberhalb der großen Freitreppe zum Meer hin, die eine hoch aufragend, die andere aus Überresten zusammengestellt. Sie kennzeichnen das Ende der Via Appia, der Straße von Rom nach Brindisi, und sind heute noch Symbol dafür, dass Brindisi einst ein wichtiger Handelshafen im Römischen Reich war.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens ist das andere, alles überragende Wahrzeichen, das Monumento al Marinaio d’Italia, ein Turm in Form eines riesigen Schiffsruders gestaltet, 53 Meter hoch, 68 Meter über dem Meeresspiegel, entstanden, wie man dem Bauwerk auch ansieht, in den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Zeit Mussolinis, zum Gedenken an die im ersten Weltkrieg gefallenen Seeleute. Die Aussicht von hoch oben soll hervorragend sein – aber wir ersparen uns den doch weiten Weg zum Turm, verbringen lieber noch etwas Zeit auf der großen Freitreppe am Meer, bei den römischen Säulen, und auf der Uferpromenade.

Unser Tag in Brindisi geht zu Ende – es geht zurück zum Schiff. Bei der Ausfahrt aus dem Hafen zeigt sich die Stadt noch einmal von ihrer schönsten Seite.

Vorbei geht es bei dem in der Hafeneinfahrt liegenden Castello Alfonsino, einer imposanten Festung aus dem 15. Jahrhundert. Die Information, dass dieses Fort von den Aragonesen erbaut wurde, forderte dann doch zu einer kurzen Recherche heraus – es waren Spanier aus dem Königreich Aragón, der Region, in der zum Beispiel die Stadt Saragossa liegt, damals eine bedeutenden Seemacht im Mittelmeerraum, die Mitte des 15. Jahrhunderts das Königreich Neapel eroberte, zu dem auch Apulien und damit auch Brindisi gehörte.

Im Ergebnis: Ein sich durchaus lohnender Aufenthalt in einer kleinen Stadt, bei dem man vor allem eintauchen konnte in das Alltagsleben, ohne die großen touristischen Highlights, die viele so erwarten mögen, aber mit vielen kleinen, interessanten Entdeckungen.

Tipps für alle, die sich weiter informieren wollen:
– Informationen über Apulien
– Tipps und Informationen Brindisi
Snoopy Pasticceria, Via fra Paolo Sarpi, 21, 72100 Brindisi
– Traditionelle Bäckerei Forno del Levante, Via Carmine, 80, 72100 Brindisi
– Diözesan-Museum Giovanni Tarantini
Chiesa di San Paolo Eremita
– Informationen zum Thema Kreuzfahrten: FT-Freizeit und Touristik GmbH

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