Kontraste: Dubai, Oman, Indien – Reisebericht 4
Weiter geht es durch die Berge des nördlichen Oman. Enge Schluchten, beeindruckende Gesteinsformationen. Die Straße so steil und schotterig, dass man selbst schon längst umgekehrt wäre. Aber er will uns noch viel mehr zeigen.
Auf den Bergen stehen neben alten auch große neue Strommasten. Unser Fahrer erklärt uns, dass auch die entferntesten Häuser inzwischen mit Elektrizität versorgt seien; das Wasser würde in Tankwagen gebracht.
Das Bergmassiv, das wir hinauffahren, nennt sich übrigens Berg der Frauen, Jebel Harim. Er berichtet, dass es hier ein Tal gäbe, um das sich zwei Gruppen gestritten hätten. Die ansässige Gruppe habe die Frauen in Sicherheit gebracht, hoch hinauf in die Berge – und seither hätte dieses Gebirge den Namen. Etwas ungläubig schauen wir uns um und wundern uns, warum wegen dieser Gesteinswelt denn ein großer Streit angefangen werden sollte.
Aber nach der nächsten Bergkuppe sehen wir, warum. Vor uns liegt ein großes grünes Tal. Eine Bilderbuch-Oase mitten im Hochgebirge, klar umgrenzt von Gesteinsmassen. Im Tal drinnen keine Häuser – dafür ist der Boden viel zu kostbar. An den unteren Hängen sieht man die Häuser, und in den Hängen die Ziegen. Vor uns liegt der höchste der Berge, kahl, steinig, mit Radarstation oben auf – es ist nicht mehr weit bis hinauf. Und davor ein grünes Tal, mit kleinen Wasserstellen, Wiesen, Anpflanzflächen, Palmen. Unglaublich.
Unser Omani zückt sein Mobiltelefon. Er will uns Fotos zeigen. Zunächst ein paar Aufnahmen von genau diesem Tal, noch grün. Dann ein paar Fotos, gerade mal eine Woche alt: Genau in diesem Tal alles nach einem Kälteeinbruch zugedeckt mit Schnee und Eis. Dann ein paar Fotos von seiner Familie – er hat tatsächlich mit Frau und Kindern vor einer Woche einen Ausflug hierher gemacht, zu einem Picknick im Schnee!
Seine Frau auf den Fotos traditionell gekleidet, verschleiert, das Gesicht aber offen. Er merkt an, dass das ein besonderes Foto sei, das er so nur uns zeigen würde. Staunen, und dann die Erklärung. Es geht um richtige, er sagt interessanterweise respektvolle Bekleidung. Frauen, die das Gesicht komplett zeigen würden, seien nicht verheiratet – wer verheiratet sei, wäre komplett verschleiert. Ich dachte, dass ich mir diese Anmerkung erlauben kann und sage, das wäre dann ja auch ein wenig leichter für die Jungs, da sie vor der Heirat sonst nicht wüssten, welches Gesicht hinter dem Schleier wäre. Er lächelt – und ist zum Glück nicht sauer.
Aber nett auch die Zusatzerklärung für die Männer. Im Auto hatten wir schon über seine Kopfbedeckung und eine Art Krawatte gesprochen, die er trägt. Seine Anmerkung, dass diese Art Turban das Zeichen für einen Omani sei und es daher selbstverständlich sei, diesen zu tragen – ohne wenn und aber. Genauso wie sein schmales krawattenähnliches Band, das kein Schmuckgegenstand wäre, sondern Zeichen für einen gläubigen Muslim. Auf dem Familienfoto, das er uns gezeigt habe, sei er zwar mit anderer Kopfbedeckung – aber eine Kopfbedeckung, die müsse sein.
Immer noch weiter in die Berge. In einer scharfen Kurze, mitten im Hang in schönster Aussichtslage hält er an. Wir schauen hinab ins Tal, machen ein Foto, meinen dass er weiterfahren könne. Nein – er möchte uns etwas zeigen.
Wir steigen aus, er führt uns ein wenig in den Bergeinschnitt hinein. Ein Wadi – in diesem Falle kein ausgetrockneter Fluss, sondern ein Beduinenbad, wie er sagt, mitten in den Bergen. Ein kleiner Talkessel wie von einem Designer geschaffen. Der Boden aus dunklem schwarzen Granit, die Umrandung aus riesigen Granitbrocken, und drumherum Gestein geschichtet, die Bergwände, in unterschiedlichsten Brauntönen. Im Granit ausgewaschen größere und kleinere Becken, so groß wie kleine Pools und Badewannen. Zwei davon sind tatsächlich mit Wasser gefüllt, das sich im harten Gestein länger hält. Anscheinend wird hier immer noch Wasser geschöpft und auch gebadet.
Oben im Hang zeigt er uns ein kleines Haus, in dem noch ein älterer Herr wohnt, 80 Jahre alt. Das Haus nur erreichbar über einen schmalen Trampelpfad. Versorgt wird er von einem Familienmitglied aus dem Tal. Wir brauchen lange, bis wir das entdecken. Für uns gab es zunächst nur eine interessant anzuschauende Steilwand, wie auf dem Foto zu sehen, und erst nach vielen Hinweisen sehen wir dieses Haus inmitten der Steilwand, links von dem sehr trocken aussehenden Baum, ein aus recht unbehauenen Steinen in die Steilwand „geklebt“, fast wie ein Schwalbennest.
Kaum glaubhaft – aber es geht immer noch hinauf auf den Berg. Wir machen viele Stopps und können uns nicht satt sehen an der Vielfalt und der Schönheit dieses majestätischen Gebirges. Die allerhöchste Spitze des Jebel Harim kann nicht angefahren werden. Da ist das Militär mit der Radarstation zuhause. Aber nicht weit drunter ist ein Aussichtsplatz auf eines der Naturwunder des Oman: Den großen Canyon. Wir stehen oben am Felsen, schauen nicht nur in die Ferne, sondern steil vor uns direkt hinunter, mehrere hundert Meter, in einen Canyon hinein, auf dessen Grund ein kleiner Fluss läuft.
Die Aussicht genießen, dazu ein kleines Picknick – unser Omani hat ein paar Getränke und Bananen dabei. Auch hier oben auf dem Berg natürlich um uns herum Ziegen, sehr zutraulich, versuchen gar ins Auto einzusteigen, begnügen sich dann aber damit, die Bananenschalen aufzufressen, die ihnen zunächst unser Fahrer, dann auch wir hinwerfen.
Es geht tatsächlich zurück. Den ganzen Berg wieder hinunter. Das Gespräch wird ruhiger. Wir alle sind inzwischen ein wenig müde geworden vom vielen Schauen. Unser Omani meint, dass er auch konzentrierter ran müsse. Den Berg hinauf fahren sei einfacher wie runter – da würde das Fahrzeug schieben und außerdem sei der Weg vom morgendlichen Regenfall stellenweise ein wenig matschig. Es hieße aufzupassen.
Nach einstündiger Fahrt sind wir wieder unten und steuern Richtung Khasab. Noch ein wenig Erholung auf dem Schiff, und dann geht es los in Richtung Indien.
Beste Grüße
Lydia Häufele und Bernd Jans
(#Oman, #Khasab, #Natur)