Kirkwall – die Orkney Inseln

Island und Grönland – Reisebericht 10

Nordland-Erlebnis komprimiert. Das sind die Orkney Inseln, hoch oben in Schottland. Highlands wie aus dem Bilderbuch. Weites Grün mit einsamen Gehöften, auf den Wiesen Kühe und Schafe. Kleine Ortschaften, oft mit Ruinen irgendwelcher Herrenhäuser und immer wieder einmal ein Tea Room mit herrlicher Aussicht auf Küste und Klippen. In einer Bucht die Schiffswracks der deutschen Hochseeflotte aus dem ersten Weltkrieg. Steinkreise und Ausgrabungen aus der Steinzeit; ganze Dörfer, an denen Archäologen arbeiten und man „Claims“ erwerben kann. Wir haben unseren Reisebericht aus dem Herbst 2016 auf diesen Seiten nach Vorne geholt, unverändert – wegen der zur geplanten Reise im Herbst 2022.

Angekommen auf den Orkney Inseln. Kirkwall, ein kleines Städtchen, man hat schon besten Überblick vom Schiff aus. Rundherum große Weiden mit den schwärzesten Kühen, die man je gesehen hat, und großen Gehöften. Die Inseln leben von der Landwirtschaft, insbesondere Getreideanbau und Viehzucht. Die Ackerflächen sind teilweise erstaunlich groß, einige Weiden quellen fast über vor Schafen und Kühen.

Bekannt sind die Orkneys für gutes Rind- und Schaffleisch, auch für den einheimischen Cheddar Käse. Eine Besonderheit auf den Orkneys: Bei traditioneller Schafhaltung stehen die Schafe nicht auf der Weide, sondern eingezäunt am kiesigen Strand, und fressen fast ausschließlich Algen – normalerweise kein Lieblingsfutter der Tiere, aber sie haben sich in vielen Schafsgenerationen angepasst. Was vor langer Zeit entstanden ist als Abhilfe bei begrenzten Weideflächen, ist nun ein Programm für Gourmets – denn Fleisch und Käse sollen besonders lecker sein. Leider haben wir nichts entdeckt, wo wir das probieren können hätten.

Die Landschaft ist großräumig, immer weithin überschaubar (da es auf Grund der starken Winde kaum Bäume gibt) und gefällt auf Grund der weichen Hügellinien und der vielen Grüntöne gesprenkelt mit schwarzen Kühen, weißen Schafen und grauen Steinhäusern. Irgendwo lesen wir, dass es etwa 30.000 Kühe gibt – also so viele wie Einwohner auf den Inseln. Nicht nur die Mauern der älteren Häuser sind aus dem grauen Stein, auch die Dächer sind aus großen Platten desselben Materials belegt. Die neuen Häuser sind farblich weitgehend den ursprünglichen Steinhäusern angepasst, bei Neubauten sind die oft – nicht besonders schön anzusehen – mit Waschbetonplatten verkleidet.

Zahlreiche archäologische Funde, teils bereits „geborgen“ teils neu entdeckt geben Einblick in die Geschichte der Inseln. Zuerst geht es zu den Steinkreisen aus der Steinzeit, von denen es auf den Orkneys einige gibt. Mystische Orte, für die es bisher noch keine Erklärungen gibt, nur Vermutungen – bei uns ist aus dem Süden Englands Stonehenge bekannt, hier im Norden noch weit öfters zu besichtigen. Wir kommen zunächst bei den „Standing Stone of Stennes“ an, den Resten eines solchen Steinkreises, mit mächtigen, aufrecht stehenden Steinplatten. Danach der große Steinring, der „Ring of Brodgar“ mit einem Durchmesser von über 100 Metern, noch ein wirklicher Kreis, obwohl von den ursprünglich 60 Steinen nur noch knapp die Hälfte stehen. Die Steine sind zwischen 2 und 4,5 Metern hoch.

Der neueste Fund ist der „Ness of Brodgar“, hier steht man ganz am Anfang mit den Ausgrabungen. Wir stehen an der Anlage und schauen den Archäologen zu, die mit Kleinstwerkzeugen an den Ausgrabungen sind, Vermessungen vornehmen, alles fein säuberlich auf Skizzenblöcken notieren. Die alte Siedlung soll über 5000 Jahre alt sein und wurde nach heutigen Erkenntnissen knapp 1000 Jahre lang bewohnt, in der Zeit zwischen 3200 und 2300 vor Christus. Wer die Ausgrabung fördern möchte, kann sich für 10 engl. Pfund einen kleinen „Claim“ aussuchen, der mit dieser Unterstützung ausgebuddelt wird. Wir haben und für Claim 22/Y entschieden.

Bereits ausgegraben ist Skara Brae, ein paar Kilometer weiter. Wir parken bei einem Herrenhaus; später stellt sich heraus, dass der Eigentümer des Hauses, das besichtigt werden kann, das Steinzeitdorf vor knapp 170 Jahren entdeckt hat. In Skara Brae lebten vor ca. 5000 Jahren 50 bis 100 Personen in acht Häusern. Von diesen sind nicht nur die Grundmauern und zum Teil die Außenwände erhalten, sondern sogar einige Ausstattungsgegenstände, da nicht nur die Feuerstellen, sondern auch die Bettgestelle und Regale aus Stein waren. Die Häuser sind unterschiedlich groß, sehr nah aneinander gebaut und über unterirdische Gänge miteinander verbunden. Eine Besonderheit ist, dass die Menschen wegen des moorigen Untergrunds den Fußboden mit Resten von Knochen, Schalen und Abfällen verstampft haben, um ihn so stabiler zu machen. Die Dächer wurden mit Walknochen und Fellen errichtet.

Nach unserer Eindruck weisen die Häuser von Skara Brae baulich große Ähnlichkeiten mit den früheren Winterhäusern der Inuit auf. Der Zugang erfolgt ebenfalls durch eine Art Tunnel, es gibt eine Feuerstelle in der Mitte und Schlafkojen rundherum. Die Häuser in Scara Brae sind allerdings nur aus Stein aufgeschichtet ohne Moos oder Torfeinlage dazwischen. Die Dächer waren aber ähnlich gebaut und auch mit Fellen bespannt.

Ganz in der Nähe von Scare Brae thront Skaill House, 1620 von George Graham majestätisch über der schönen Bucht von Skaill mit ihrem türkisblauen Wasser. In den 50er Jahren restauriert, kann man hier heute ein altes viktorianisches Haus bewundern, mit großer Eingangshalle,  großem sonnigen Wohnzimmer, Damen- und Herrenschlafzimmer sowie Gesindehaus. Es gehen allerdings viele Geistergeschichten um, die vielfältig belegt sein sollen. Vielleicht sollte man daher davon Abstand nehmen, eine der angebotenen Ferienwohnungen für einen Urlaub anzumieten – das könnte Schlaf und Nerven kosten.

An der Barony Mill, einer alten Wassermühle, halten wir an. Die Tür steht offen, wir schauen hinein, werden auch gleich eingeladen, alles anzusehen. Wie zu vermuten war in der Mühle ein altes Mahlwerk – viele unterschiedlich große Holz-Zahnräder greifen ineinander, treiben die großen Mahlsteine an, dazwischen immer wieder Rutschen und kleine Aufzüge für das Korn, Rüttler und Siebe. Gemahlen wird „bere“, wie uns der junge Müller erzählt, eine alte Getreidesorte, die für die Orkneys typisch ist, genutzt zum Kochen und Backen, ebenso zum Bier brauen und in der Whiskey-Herstellung.

Von Ferne sehen wir ziemlich am Rande der Klippen ein kleines Dorf, davor eine imposante Ruine. Es geht in Richtung „Tea Room“ – etwas, was in unserer „Sammlung“ noch fehlt. Ohne Tea, Scones, Plotted Cream und Marmelade ist ein Aufenthalt auf den britischen Inseln kaum denkbar. Vorbei an der Ruine, die sich als Überreste von Earls Palace herausstellt, geht es ziemlich über Land zu einer kleinen Teestube mit herrlicher Aussicht auf die Steilküste und das dortige Vogelschutzgebiet. Auf den Orkneys brüten auch sehr viele Seevögel, vor allem in den steilen Klippen. Im Tea Room lagen wie selbstverständlich Ferngläser zur Beobachtung aus.

Wir fahren über Land, zur anderen Seite der Insel, besser der Insellandschaft. Hier stehen viele kleinere Inseln nah beieinander. Hier liegt auch die Bucht „Scapa Flow“, lange Zeit von der englischen Marine als Hauptstützpunkt genutzt, weil es kaum eine geschütztere Hafensituation geben kann. Zufahrten sind schon eng oder wurden verengt. Rund um Scapa Flow wurden massive Barrieren gebaut, aus Stein und Beton oder durch versenken älterer Schiffe. Hier wurden nach dem ersten Weltkrieg die deutschen Marineschiffe festgesetzt, immerhin eine noch bestehende Flotte mit über 70 Schiffen. Um zu verhindern, dass diese Schiffe von den Siegermächten genutzt werden, versenkte sich die Flotte auf Befehl des deutschen Kommandanten von Reuter selbst – die Briten konnten, bis auf wenige Ausnahmen, nicht mehr eingreifen. Noch heute schauen viele Wracks der Schiffe noch aus dem Wasser. Was unter Wasser liegt, ist beliebtes Revier für Taucher.

Die Orkney Inseln spielten gerade wegen ihrer Abgeschiedenheit in den Kriegen eine besondere Rolle. Überbleibsel in Form von Bunkerruinen sieht man immer wieder. Im Zweiten Weltkrieg gab es auf den Inseln Gefangenenlager. Eine Sehenswürdigkeit von heute, die wir kurz besichtigen, ist die kleine Italienische Kapelle in Lambholm, die von italienischen Kriegsgefangenen erbaut wurde. Es verwundert daher nicht, dass die Kapelle der Heiligen Maria gewidmet ist und ein venezianischer Löwe sich eine Seitenwand mit einem Engel teilt.

Noch etwas Zeit haben wir nach der Rückfahrt für die Inselhauptstad Kirkwall, mit 9000 Einwohnern ein nettes kleines Städtchen, das von der großen Sankt Magnus Kathedrale dominiert wird. Diese wurde 1137 aus rotem und gelben Sandstein erbaut. Während unseres Stadtspaziergangs spielte vor der Kathedrale ein großes Dudelsack-Orchester, anlässlich eines Blumenfestes zugunsten der Kathedrale, auf.

Die zweite Attraktion des Ortes ist die traditionelle Whiskydestillerie „Highland Park“, die weltweit bekannt ist. Die gekeimten Gerstenkörner werden hier mit Torfrauch geräuchert, was dem Whisky seinen unverwechselbaren Geschmack schenkt. Zudem reift der Whisky in alten Wein- oder Portweinfässern, was wiederum Einfluss auf Farbe und Geschmack hat. Die Destillerie bietet ausführliche Besichtigungen mit anschließender Whiskyprobe an.

Noch eine Besonderheit der Orkneys, die wir erfahren. Zwischen den unzähligen kleinen Inseln fliegen regelmäßig Kleinflugzeuge, sogar im Linienverkehr. Hierbei dauert der kürzeste Flug von einer Insel zur nächsten genau 59 Sekunden (bei Rückenwind!).

Nur noch wenig Zeit haben wir, bis wir zum Schiff zurück müssen. Wir genehmigen uns abschließend noch Fish & Chips, landestypisch mit viel Essig bespritzt – ohne so etwas kann man die Orkney Inseln nicht verlassen.

(#Schottland, #Orkney, #Handwerk, #Essen, #Nordsee)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s