Morbider Charme, herrliche Aussichten, kreative Künstler
Kanaren und Kapverden, Reisebericht 7
Der Stadtrundgang in Mindelo ist zu Ende. Mit dem Bus geht es weiter, vorbei am angeblich kleinsten Wohnhaus der Insel; es ist ein kleines, barock angehauchtes Häuschen, schön renoviert, inmitten einer sehr gepflegten Parkanlage mit Bänken und hohen Palmen. So manch einer auf São Vicente wird auch nicht in einem größeren Haus wohnen, aber das ist dann ganz sicher kein Hochglanz-Postkartenmotiv.

Über holperige Straßen, zum Teil über Kopfsteinpflaster, die noch in Kolonialzeiten entstanden sind, geht es durch Wohnviertel in der Altstadt.






Hier spielt sich das Leben vor allem auf den Straßen und wenn vorhanden auf den Fußgängerwegen ab; die Menschen schlendern die Wege entlang, andere sitzen auf Schemeln und unterhalten sich, und noch mehr haben kleine Verkaufsstände aufgebaut.





Unser Bus bringt uns hinauf auf die Anhöhen zu Aussichtspunkten. Je höher wir kommen, desto grauer wirkt die Stadt. In den Hängen stehen viele Neubauten, erstellt in grauen Betonsteinen. Die einen sind noch unverputzt, aber auch schon bewohnt, soweit man das sieht. Die anderen sind fertig gestellt; auch hier scheint alles grau zu sein, aber diese Häuser warten fast alle nur noch auf ihre Nebenbauten, die direkt an die Hausseiten angebaut werden. Da nur die Frontseite zur Straße hin verputzt und gestrichen wird, entsteht doch ein grauer Gesamteindruck.

Oben angekommen haben wir schönste Aussicht ob auf die Bergketten oder hinunter in die Stadt. Wie ein großer Bogen zeichnet sich die Bucht ab mit der Strandpromenade und einem unglaublich weißen Strand, davor das Meer in unterschiedlichsten Blautönen – so ein wenig wie im Bilderbuch.

Die Berge um uns herum sollten um diese Jahreszeit eigentlich ziemlich grün bewachsen sein; aber vorherrschende Farbe ist braun, denn es hat schon lange, viel zu lange, wie unser Guide meint, nicht mehr geregnet – auch eine Ursache dafür, dass bei der Bevölkerung, die auf die Erträge der Felder angewiesen ist, langsam aber sicher große Lebensmittelknappheit entstände.








Mit der Gruppe unterwegs sein, heißt auch, dass Mittagessen eingeplant ist. Es ist natürlich vorbestellt. Wir sind warum auch immer etwa eine Stunde zu früh dran. Obwohl alle eher darauf warten, endlich hinaus aufs Land zu kommen, um mehr von der Insel zu sehen, muss jetzt irgendwie diese Stunde verplempert werden – um danach, weil es sich so gehört, in irgendeiner „Abfütterstation“ noch weitere eineinhalb Stunden zu verbringen.






Zum Glück lässt uns unser Guide die Stunde nicht einfach im Restaurant absitzen, sondern den Bus noch einmal kreuz und quer durch Mindelo gondeln, durch viele neue Straßen und noch mehr altbekannte. Aber wir schauen uns einfach das Straßenleben an, ist auch interessant.




Es geht vorbei an einer Entsalzungsanlage für Meerwasser; die Niederschläge auf der Insel reichen nicht aus für die Wasserversorgung. Zwischendurch kommt noch mal ein Aussichtspunkt; wenn man nicht oben angekommen wäre würde man nicht vermuten, dass die Schotterpiste da hinauf tatsächlich eine Straße sein soll.

Natürlich sieht man wieder hinunter auf die Bucht, und vorne vor uns liegt die AIDAcara. Nicht weit daneben werden Schiffe repariert und abgewrackt; gerade wird eine nicht ganz kleine Fähre noch in ihre letzten Bestandteile zerlegt. Ein wenig weiter zeigt sich ein herrlicher Strand, direkt in Stadtlage.





Im Restaurant heißt es dann doch noch fast eine halbe Stunde warten, bis etwas auf den Tisch kommt. Das Essen ist überraschend gut, vor allem der Fisch. Zum Essen gab’s sogar Live-Musik. Wir sind fertig mit Essen, sehen, dass noch irgendwelcher Nachtisch vorbereitet wird, und dann müssen Einzelgetränke noch bezahlt werden – also nochmal viel Zeit in den vier Wänden. Die Begeisterung hält sich in Grenzen.




Wir habe zwar von hier aus einen schönen Blick auf die Bucht. Aber wir wollen doch lieber etwas vom Ort sehen, und seien es nur ein paar Meter die Straße lang – und so verabschieden wir uns für eine halbe Stunde, bei wenig Begeisterung unseres Guide.





Draußen stolpern wir zuerst einmal in einen kleinen Laden, wollen auf der Insel gebrannten Rum kaufen, und zwar einen guten. Nach erster Orientierung an den Etiketten und am Preis folgt die Rücksprache mit einem älteren Herrn. Heraus kommt natürlich eine der teuersten Flaschen – aber der schmeckt, wie wir später auf dem Schiff festgestellt haben.



Der Friseur nebenan mit einem Laden, dessen Ausstattung nach frühem 20. Jahrhundert aussieht, deutet an, dass meine Haare doch zu lang wären und ich mir bei ihm einen Haarschnitt verpassen lassen soll. Das mit den Haaren stimmte – aber leider haben wird doch keine Zeit, uns auf einem Friseurstuhl niederzulassen.





Wieder nebenan: Ein lokaler Künstler, der großflächig und farbenfroh und modern die Geschichte der Inseln verarbeitet; auf den Bildern erkennt man Motive über Arbeit, Partnerschaft, Sklaverei, Unruhen, Krankheit, Landwirtschaft und mehr – aber alles mehr auf den zweiten Blick, zuerst beeindrucken die bunten Farben.

Und noch eine kleine Strecke entlang der Straße gegangen, vorbei an ein paar kleinen Bars, an Verkäuferinnen für Gemüse und Fisch, die auf dem Fußgängerweg sitzen, kommt eine Art Künstlerhof. Durch ein Tor geht es hinein in einen großen Innenhof, in dem Skulpturen stehen, die aussehen als wären sie einem Kinder-Science-Fiction-Film entsprungen. Um den Innenhof herum sind einige Künstlerwerkstätten, bei denen wir nur in einige schnell hinein schauen können.





In einem der Räume sieht man bunte Kleidung, sieht ein wenig nach Karneval aus. Etwas weiter hinten wird in einer Werkstatt geschweißt. Direkt beim Eingang wird Schmuck aus Alltagsmaterialien hergestellt. Nebenan scheint ein Künstler aktiv zu sein, der mal auf Hauswände, mal auf Leinwände Graffiti sprüht.





Aber die Gruppe wartet, und so sputen wir uns auch – obwohl wir uns noch gerne länger bei den Künstlern umgesehen hätten.

Wir freuen uns jetzt auf die nächste Etappe – es soll hoch hinaufgehen in die Berge, in den Nationalpark. Was es dort alles zu erleben gibt, davon handelt unser nächster Reisebericht.
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