Begeisternde Musik, rauhe Berglandschaft
Kanaren und Kapverden, Reisebericht 8
In kurzer Zeit haben wir in Mindelo so viele Entdeckungen gemacht, dass man kaum glauben möchte, dass wir erst einen halben Tag hier sind – die Altstadt mit den Märkten, kleine Geschäfte und Restaurants, Aussichtspunkte mit herrlicher Weitsicht, und vor allem haben wir ein quirliges, vielfältiges Stadtleben beobachtet, angesiedelt zwischen Armut und Lebensfreude.

Jetzt wird es hinaus aus der Stadt gehen, hinein in die Insellandschaft. Die Strecke führt ständig bergauf, die Steigungen sind erstaunlich.






Um uns stehen nur noch vereinzelt Häuser. Schon bald zeigt sich eine sehr karge Landschaft, gebildet vor allem aus Lavagesteinen, mit Feldern dazwischen, auf denen weniger Erde, mehr Steine sichtbar sind.

Irgendwann geht es von der Hauptstraße ab in den Nationalpark, zum Mont Verde, der höchsten Erhebung der Insel. Wir kommen auf eine Kopfsteinpflasterstraße, die richtig in die Berghänge eingeschnitten ist, wie ein zu breit geratener Trampelpfad die Steilhänge hinaufführt. Oft fällt der Berg auf der einen Seite der Straße steil nach unten, fast senkrecht, und auf der anderen Seite geht es ebenso nach oben. Die Straße ist inzwischen so steil, dass man kaum glaubt, dass unser kleiner alter Bus das schaffen könnte – aber er röhrt sich lautstark nach oben. Immer wieder muss der Fahrer in den ersten Gang zurück schalten, damit das Fahrzeug die Steigung packt. Währenddessen genießen wir herrliche Ausblicke in die Felslandschaft hinein oder hinunter zur Küste, sehen viele Vulkane, blicken auf die Nachbarinseln hinüber.

Ziemlich durchgängig sieht man karge Terrassenfelder, da es so etwas wie eine Ebene nur ganz unten am Berg gibt, an der Küste entlang, wie wir von weit oben sehen. Zwischen den Feldern sieht man immer wieder kleinste Bauernhöfe; einige wenige schauen bewohnt aus, weitaus mehr sind verfallen.






Aber auch diese verfallenen Gehöfte scheinen zum Teil noch genutzt zu werden. So entdecken wir bei einem Stopp vor einer Ruine einen Esel, neben dem Gebäuderest ein Maisfeld.

Diese Passstraße ist schon zu Kolonialzeiten entstanden; unser Guide meint, die jetzige Kopfsteinpflaster-Version würde aus dem 19. Jahrhundert stammen. Ich möchte mir nicht vorstellen, unter welchen Bedingungen da gebaut wurde. So wirklich ernst zu nehmende Straßenbefestigungen zur Hangseite sind selten. Häufiger sind eher die Gesteinsbrocken, die die Straße „verzieren“, viele kleinere Steine, nicht gerade selten etwas ansehlichere kopfgroße Brocken, und ab und an ein kleiner Fels, so fast einen halben bis ganzen Meter hoch, das eine Fahrspur mehr oder weniger versperrt.

Auf den Terrassen um uns herum sehen wir vor weitgehend sehr kleine, ziemlich vertrocknete Maispflanzen und vereinzelt kleinere Pflanzen, bei denen nicht so recht zu erkennen ist, um was es sich handelt. Wie wir erfahren, sind wir jetzt in einem Gebiet, das – obwohl so hoch oben – um diese Zeit richtig grün sein müsste. Der Mais wäre normalerweise etwa einen Meter hoch, zwischen dem Mais würden Bohnen wachsen. Aber es gäbe aktuell eine extreme Trockenheit und die Bauern würden händeringend auf Regen warten.






Die kümmerlichen Maispflanzen, die jetzt hier wachsen, können gerade noch als Futter für die Tiere verwendet werden. Maiskolben bilden sich nicht aus. Mais ist jedoch das Grundnahrungsmittel der relativ armen Bevölkerung auf den Kapverdischen Inseln. Getreide wächst auf diesen Inseln nicht; Weizen ist zum Beispiel zu empfindlich.




Auch der Versuch, Reis anzubauen, ist in der Vergangenheit gescheitet. Übrig blieb der Mais. Was ich nicht wußte: Sich ausschließlich von Mais zu ernähren führt zu Mangelerscheinungen; Mais verfügt über zu wenig Mineralien und Vitamine. So extrem das klingt: Sich mit Mais satt zu essen führt auf Dauer zum verhungern – etwas, was für die Inselbewohner altbekannt ist. Die richtige Ergänzung dazu liefern Bohnen. Diese werden zusammen mit dem Mais angebaut und nutzen diesen als Rankhilfe.

So entstand auf den Kapverden das Alltagsgericht „Capucha“, für eine günstige, einfache und sättigende Mahlzeit. Mais wird im Mörser gestampft, mit Bohnen vermengt und schon am Vormittag gekocht; wer Gemüse oder etwas Fisch zur Verfügung hat, verfeinert das Essen damit, und an Festtagen vielleicht auch mit Fleisch. Das Essen bleibt den ganzen Tag auf dem Feuer – mittags wird es als Suppe gegessen, abends als Eintopf. Bleibt etwas übrig, wird dieses als Fladen getrocknet und am nächsten Morgen verspeist.

Wer hier oben am Berg sieht, was alles wachsen sollen hätte, kann sich gut und eindrücklich vorstellen, dass es die Bevölkerung der Inseln in nächster Zeit nicht leicht haben dürfte – aktuell nichts zu ernten, und an Vorräte anlegen nicht zu denken.






So stehen wir da. Die einen genießen die Aussicht und denken nicht weiter – und diejenigen, die weiter denken, denen hilft das auch wenig weiter, weder ihnen noch der Bevölkerung.

Bergab geht’s wieder schneller. Der Motor heult auch, aber weil er die Bremsen mit unterstützen muss.



Unten angekommen werden wir noch zum Strand gefahren. Der Atlantik wirft hohe Wellen auf. An Baden ist nicht zu denken. Die Strömung ist so stark, dass man selbst in den Wellenausläufern kaum stehen kann.

An einem anderen Strand, an dem wir vorbei kommen, traut sich ein Kite-Surfer hinaus, rast über’s Wasser, macht hohe Sprünge.



Unser Bus bringt uns zurück nach Mindelo. Wir fahren kreuz und quer durch kleine Altstadtstraßen, vorbei an kleinen, meist niedrigen, fast immer bunten Häusern aus der Kolonialzeit. Wo es noch hingeht, wissen wir nicht so recht.

Die Straßen, auf denen wir unterwegs sind, scheinen auch aus dieser Zeit zu stammen – es ist Kopfsteinpflaster; als wir aussteigen sehe ich an den Steinen, dass diese handbehauen ausschauen.





Wir sind angekommen, bei einem Instrumentenbauer, der Gitarren in allen Größen und mit allen erdenklichen Klängen herstellt, vor allem natürlich die Cavaquinho, eine kleine, viersaitige traditionelle Gitarre . Er zeigt uns Hölzer, Formen und Rohlinge, demonstriert wie Gitarren zusammengesetzt und Stege angebracht werden, spielt schließlich einige Akkorde auf verschiedenen Instrumenten, damit wir die Unterschiede im Klang hören können. Es ist ein Familienunternehmen; er hat den Gitarrenbau von seinem Vater gelernt. Anscheinend sind seine Kenntnisse so gut, dass er auch Geigen bauen und ebenso Klaviere und weitere Instrumente reparieren kann.








Dann nimmt er eine kleine, vierseitige Gitarre, spielt ein paar Akkorde drauf, schwenkt den Klangkörper etwas – ein geradezu umwerfender Klang in einer Sauberkeit und Fülle, die man nie erwartet hätte.


Und dann gab es in dieser kleinen Werkstatt noch ein besonderes Highlight: Ein kleines Konzert mit der Band dieses Instrumentenbauers. Er mit der kleinen blauen Gitarre, auch mit Gesang, dazu drei Mitspieler mit Gitarren und Percussion. Leider war nur Zeit für drei Stücke – diese Band hätte man sich nicht nur einen Abend lang anhören können.

Zu unserer eigenen Überraschung: Ein insgesamt gelungener Tag. Selbst wenn man den „Gruppen-Malus“ abzieht, verbleiben viele schöne Entdeckungen und Erinnerungen.


Zurück zum Schiff geht es noch einmal quer durch das Städtchen. Wir werden jetzt die Kapverden verlassen, es geht zwei Tage auf See, zurück zu den Kanaren, nach Teneriffa.
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