Island und Grönland – Reisebericht 3
Island, so wie man es sich vorstellt, von Akureyri aus entdecken. Wir fahren vorbei an qualmenden Steinfeldern. Kurz darauf eine wilde Steinlandschaft mit Seen und Bächen wie vom Landschaftsgärtner gestaltet, mit intensivem Grün und bunten Blumen. Später mal ein türkisfarbener See. Wie eine wulstiger Graben die Furche, auf der hier die Erdplatten aufeinander stoßen. Plötzlich ein ockerfarbenes, schwer nach Schwefel riechendes Gebiet, qualmend, mit kleinen Kratern voller blubbernder Erdmasse. Überall an unserer Strecke gewaltige Wasserfälle.
Und jetzt folgt der ausführliche Bericht, für alle, die mehr erfahren wollen:
Von unserem nächsten Hafen aus, Akureyri, geht es ab ins „wilde“ Island. Wasserfälle, dampfende Erde, heiße Quellen, blubbernde Erde. Wir waren neugierig. Mit unserem gemieteten Auto ging es los, zunächst zum Myvatn, zu deutsch Mückensee, eine der großen Sehenswürdigkeiten. Wir sind gespannt. Gefahren wird auf der N1, so ziemlich die einzige Straße weit und breit außerhalb des Ortes, zudem eine der wenigen geteerte Straßen Islands. Auf der N1 könnte man rund um die Insel fahren, eine Ringstraße – aber das wäre auch bei nicht riesig vielen Kilometern nicht nur ein wochenfüllendes Programm.
Die ersten Kilometer sehen so aus, wie wir es uns vorgestellt hatten. Karg bewachsene Felsen mit spärlichem Grün. Dann führte uns die Straße durch ein breites Flusstal; plötzlich große Wiesen, Landwirtschaft und üppigen Bewuchs in allen Grüntönen. Nach etwa 30 km erreichten wir den Wasserfall Godafoss, den wir im vorbei fahren mit „ah’s“ und „oh’s“ vom Auto aus bestaunten, aber erst auf der Rückfahrt näher in Augenschein nehmen wollten.
Dann kurz hinter einer Kuppe, der erste Blick auf die Seenlandschaft des Myvath – beeindruckend viele Seen kreuz und quer miteinander verbunden, eingebettet in eine vielfältige Kombination von Grün mit vielen Blümchen, zusammen mit Felsen und Gesteinsbrocken in unterschiedlichsten Formen, Farben und Größen. Wir hielten an, um Fotos zu machen. Aber – kaum draußen, sah man fast gar nichts mehr vor lauter Mücken. Wie aus dem Nichts aufgetaucht, umschwirrten sie uns zu tausenden, waren nicht zu vertreiben, stechen zum Glück aber auch nicht. Schnell wieder ins sichere Wageninnere. Während wir flüchten kommt eine kleine Reitergruppe mit drei Pferden vorbei; den Pferden scheint der Mückenschwarm um sie herum weniger auszumachen, die Reiterinnen haben einen Kopfschutz, der an einen Imkerhelm erinnert.
Der See liegt da mit vielen Verästelungen und herrlich bewachsenen Inseln überall verstreut. Je nach Wetter, Sonne und Wolken kann er in wenigen Minuten seinen Charakter ändern und von lieblicher Idylle zu imposantem Schauspiel werden. Die kleinen Inseln sind so zauberhaft bewachsen, dass man meinen könnte, ein Landschaftsgärtner hätte sie alle angelegt. Die Umgebung, eine riesige weite plane Steinfläche, im Hintergrund die ersten Rauchsäulen.
Der nächste Stopp gilt einer großen Verwerfung, die aussieht als hätte jemand ein ewig langes Band von dickem Asphalt nach oben aufgebrochen. Mittendurch eine riesige, sehr tiefe Spalte. Hier treffen die eurasische und die nordamerikanische Erdplatte aufeinander. Hier driften die beiden Platten jedes Jahr etwa zwei Zentimeter auseinander – und aus dem Riss quillt dann flüssiges Magma nach. In diesem Graben bildet sich Grotten, teils mit heißem Wasser gefüllt, 43 bis 46 Grad heiß. Auf einem Schild wird vor dem Baden gewarnt, aber manche trauen sich trotzdem rein.
An der Strecke immer wieder Bereiche, in denen die Erde einfach vor sich hin dampft. Mal nur ein konzentrierter Punkt, mal scheint es, als würde eine Fläche in der Größe eines Feldes vor sich hin kochen. Dann ein See, die Farbe intensiv türkis. Wir rätseln, wie eine solche Farbe wohl zustande kommen könnte.
Hinter der nächsten Kuppe dann die Schlammlöcher und Schwefeldämpfe, sich schon von weitem ankündigend, unschwer am Geruch zu erkennen. Sofort fallen uns die „Stinkbomben“ aus der Kindheit ein. Eine sehr surreale ockerfarbene Landschaft mit taupefarbenen Blubberblasenlöchern, „rauchenden Steinen“, großen stinkenden Schlammflächen. Überall Wasserdampf und unwirkliche blubbernde, glucksende und zischende Geräusche. Mittendrin ein Model in Orange barfuß in griechischer Pose, angespornt von einem Fotografen.
Nun aber auf zu den Wasserfällen. Der Dettifoss und der Selfoss erwarteten uns. Auf der Fahrt dorthin wieder ein imposanter Landschaftswechsel. Kilometerweit unterschiedlichste Steinlandschaften, kaum Bewuchs. Mal eine erstaunlich ebene Fläche aus lauter kleinen Lavasteinchen. Dann eher bizarre, zerklüftete, sehr scharfkantig aussehende Formationen. Dann wieder Hügelflächen, die wie aneinandergereihte überdimensionierte Panzer von Schildkröten anmuten. Immer wieder kleine Vulkanberge, von denen wir einen ziemlich kleinen erklimmen, im Hintergrund ein riesiger Vulkantrichter. Alles in unterschiedlichsten Farben. Aber fast alles gut abgegrenzt und sortiert, vielerorts wie vom Landschaftsplaner angelegt.
Plötzlich türmen sich überall große Steinquader auf, wie von Menschen behauen, für einen Pyramidenbau vorbereitet oder so etwas. Sie liegen nebeneinander, stehen aufgestapelt und scheinen nicht zu enden. Vom Parkplatz aus führt ein Weg zu den Wasserfällen mitten durch diese Steinquader, trotz der massiven Quader der Boden doch aus schwarzem Lavasand.
Dann tosende Geräusche und hinter der letzten kleinen Kuppe ein Blick von ganz oben auf den tosenden Dettifoss. Eine Urgewalt, die nicht unbeeindruckt lässt. Die Wassermassen durchlaufen kurz vor dem Fall eine leichte Kurve, was alles noch zu beschleunigen scheint. Durch die vielen Regenfälle ist das Wasser braun, aber im Fall bildet sich eine weiße Gischt und donnert in die Felsenschlucht. Ein wirklich imposanter Anblick.
Auf dem Rückweg ein Blick von Weitem auf den Selfoss, der sich über eine ganze Felsformation erstreckt. Es hat begonnen zu regnen und wir entschließen uns, zum Auto zurückzukehren.
Jetzt wird es Zeit, eine kleine Pause zu machen. Wir entdecken einen kleinen Supermarkt mit Restaurant. Kaffee und Wasser gibt es umsonst. Rhabarberkuchen und Suppe schmecken lecker.
Auf dem Rückweg nehmen wir uns noch Zeit für den Godafoss. Wir stellen fest, dass das, was wir am Vormittag vom Auto aus für den Wasserfall gehalten haben, nur ein kleiner Nebenfall war. Der richtige, große Wasserfall tost weiter oben die Schlucht herunter und imponiert durch unglaubliche Schnelligkeit und Wucht, die sich wiederum durch viele Kurven im Flusslauf verstärkt.
Island hat uns heute überrascht und gepackt, bereits an einem Tag so vielfältig, wie wir es uns nicht vorstellen konnten, so schön, dass man sich manchmal am schönsten Platz der Welt wähnte und so gewaltig, dass wir wieder ein Gefühl dafür bekamen, was die Natur alles vermag.
(#Island, #Akureyri)
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