Mumbai – Dabbawallas und chaotischer Verkehr

Kontraste: Dubai, Oman, Indien – Reisebericht 7

Einige der Dabbawallas zu entdecken – unser nächstes Ziel auf unserer Tour durch Mumbai. Dabbawallas gibt es nur in Mumbai – hier gibt es nämlich eine besondere Tradition.

Das Mittagessen wird von jeder Frau für ihren Mann, der im Büro – teils viele Kilometer entfernt – arbeitet, zuhause gekocht, und muss dann seinen Weg an den Arbeitsplatz des Mannes finden. Dafür sorgen die Dabbawallas mit einem ausgeklügelten System. Das Essen wird vor der Tür abgeholt, über verschiedene Verteilerstationen immer an den nächsten Dabbawalla weitergegeben, bis es schließlich am Ziel ankommt – meist über viele Stationen, und oft auch nicht nur über Handkarren, sondern Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Eine einstündige Bahnfahrt ist da keine Seltenheit.

Damit jeder das richtige Essen bekommt, sind die Transportbehälter markiert. Ein System ähnlich einem Postsystem, nur mit Hausabholung und viel schneller, damit das Essen nicht kalt wird. Dabbawallas sind im Straßenbild leicht erkennbar, mit ihrer weißen Kopfbedeckung in Schiffchen-Form. Leider entdecken wir nur noch wenige – wir sind etwas zu spät dran, und können so den großen Austausch-Trubel mit Töpfen nicht mehr sehen.

Die vielen Dabbawallas, die unterwegs sind, haben insgesamt 200.000 Esspakete zu verteilen. Unser Guide meint, von zwei Millionen Zustellung ist eine falsch. Scheint unglaublich. Die Zustellung kostet derzeit 49 Dollar im Monat; das sei viel günstiger, wie wenn sich die Männer vor Ort im Büro verpflegen müssten. Ein wenig überraschend: Die Männer nehmen ihre Essensdosen nicht selbst wieder nach Hause, das erledigen auch wieder die Dabbawallas.

Mit lautem Gehupe geht es weiter mit dem kleinen Van durch Straßen, die so voll sind, dass man sich wundert, dass überhaupt noch etwas vorangeht. Wir kommen vorbei an einigen eher prachtvollen Gebäuden, die noch in der Kolonialzeit der Engländer entstanden sind, die meisten noch im 19. Jahrhundert, einige zu Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut. Die Victoria-Station, benannt nach der damaligen englischen Königin, liegt an der Strecke – ein neogotisches Bauwerk von 1850, gebaut als Warenhaus, aber kurze Zeit darauf schon umfunktioniert zum Bahnhof, heute einer der größten des Landes. King Georges wollte Königin Viktoria einen statusgemäßen Empfang in Indien bieten und hatte kurzerhand das einzig schöne Gebäude der Stadt in den Empfangsbahnhof umfunktionieren lassen. Die vorher ansässigen Geschäfte des Warenhauses verteilten sich dann über die ganze Stadt und Mumbai hat bis heute einen wunderschönen Bahnhof.

Immer wieder mal sind neogotische Gebäude zu sehen, meist Behörden, mal auch eine Schule. Die Wohngebäude aus allen Zeiten sehen meist sehr zerfallen aus, kaum bewohnbar, und sie sind es sichtbar doch – es müssen einmal sehr schöne Gebäude gewesen sein, sieht man die Überreste von Ornamenten, Säulen, Balkongeländern und Verzierungen aller Art.

Gelebt wird anscheinend sehr viel auf der Straße. Staub und Schmutz scheinen dabei nichts auszumachen. Menschen sitzen auf dem Fußgängerweg oder auf Mäuerchen, unterhalten sich, verkaufen irgend etwas. Manchmal hat man den Eindruck, dass sich das halbe Familienleben vor der Haustür irgendeines Gebäudes abspielt. Auf einem großen Tuch sitzen Frauen und Kinder, essen etwas, verkaufen manchmal Gewürze, sitzen einfach da. Man weiß nicht so recht, ist das jetzt schon Armut oder eine Form von Lebensstil.

Allgegenwärtig in Aktion ist auf jeden Fall das Mobiltelefon. Ob während der Fahrt am Steuer des Autos, oder bei einhändiger Fahrt auf Moped oder Fahrrad, ob langsam oder schnell zu Fuß unterwegs, als Paar beim Spaziergang, beide mit Telefon am Ohr, oder unter einem Arm das Kind, in der anderen Hand das Telefon. Einfach immer, in jeder Lebenslage und gerne auch parallel zu anderen Beschäftigungen.

Heilige Kühe, die sind da in Mumbai schon seltener. Wir sehen ein paar wenige am Straßenrand – leider kaum fotografierbar, da unser Fahrer immer so schnell irgendeinem Auto ausweichen muss, dass man kaum ein Foto vom Auto aus hinbekommt. Neben den Kühen immer schön sortiert verschiedenes Grünzeug, oft auf einer Art Teppich. Meist auch ein älterer Herr neben der Kuh sitzend. Unser Guide meint, dass es nur noch wenige Kühe in Mumbai gäbe; bei denjenigen, die noch in den Straßen ständen, würde gebetet, und deshalb wären sie wichtig. Allerdings berichtet unser Führer auch, dass muslimische Mitbürger schon mal eine Kuh bei Nacht und Nebel dem Verzehr zuführen.

Auf unserer Tour kommen wir an einigen Schulen vorbei. Schuluniform ist Pflicht, da klingt noch die alte Kolonialzeit mit den Engländern durch. Egal ob Privatschule oder öffentliche Schule, die Uniform muss sein, und muss von den Eltern bezahlt werden. Für ganz arme Familien gibt es finanzielle Unterstützung. Alltagssprache ist für die meisten Menschen in Mumbai Hindu, offizielle Sprache und damit auch Sprache der Behörden ist Englisch. Man wundert sich, wie lange sich das nach Zwangsherrschaft der Engländer und weitgehend friedlich erkämpfter Unabhängigkeit seit nunmehr fast 70 Jahren hält. Trotz eines Mahatma Ghandi Museums, in dem dieser fast wie ein Heiliger verehrt wird.

Noch eine Anmerkung zum Straßenverkehr. Gefahren wird links – aber das scheint eines der wenigen Überbleibsel der Engländer bei der Regelung des Straßenverkehrs zu sein. Vielleicht gibt es ein paar formale Regeln, die bei Prüfungen gelernt werden müssen, aber die dann keiner mehr kennt. Ampeln beachten hat noch einen gewissen Näherungswert. Ansonsten alles möglich und erlaubt. Fahrspuren wenn eingezeichnet dann nach Möglichkeit vernachlässigen – schafft nur Probleme. Eng fahren, in die Straße so viele Autos hineinstopfen, wie geht, in der Breite wie in der Länge. Stoßstange an Stoßstange. So fahren, dass Mopeds, Fahrrädern und Fußgängern die Möglichkeit bleibt, sich irgendwie durchzuschlängeln. Diese werden natürlich angehupt, das gehört sich. Gibt es in der Straßenmitte mal eine Abgrenzung, heißt es talentiert drüber zu steigen. So verrückt das alles klingt – es scheint nur eine Regel zu geben, nämlich diejenige, niemanden zu verletzen. Dellen am Auto sind erlaubt.

Autos, Autos, Autos, alle irgendwie wild durcheinander, immer lautes Gehupe. Prägend auf den Straßen die schwarz-gelben Mini-Taxis, fast alle vom indischen Suzuki-Ableger namens Maruti Suzuki – Suzuki baut inzwischen in Indien mehr als doppelt so viele Autos wie im Heimatland Japan.

Das wäre unser neuer Bericht aus Mumbai. Wir steuern nun den weltweit einzigen Wäscherplatz an, Dhobi Ghat, und davon gibt es den nächsten Reisebericht.

Beste Grüße
Lydia Häufele und Bernd Jans

(#Indien, #Mumbai)

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Gert k. sagt:

    WI IMMER EIN TOLLER REISEBERICHT GERT K:

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo Gert, und dankeschön für die nette Rückmeldung. Uns machen die Reisen Spaß – und das kommt hoffentlich in den Berichten raus.
      Beste Grüße Bernhard

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