Wacholder-Heide in der Eifel

Ungewöhnliche Landschaft inmitten von Vulkanen

Wieder einmal ein Ausflug in Corona-Zeiten – dort hin, wo möglichst wenig Menschen unterwegs sind. Wir starten früh am Morgen, peilen in der Eifel die höchste Erhebung an, einen Vulkankegel, die Hohe Acht, immerhin 747 Meter hoch.

Bei Bad Neuenahr geht es die Hügel hinauf, die jetzt in den letzten Novembertagen den ersten Frost zeigen. Viele Bäume glitzern weiß, auf den Wiesen und Feldern ist der Tau angefroren. Einige der Dörfer, durch die wir kommen, liegen in schmalen, tiefen Tälern, einige auch an Nordseiten der Hänge; hier sieht es manchmal schon richtig nach Winter aus, vor allem dann, wenn die Dächer zum Teil noch weiß vom Frost sind.

An einigen Apfelbäumen hängen keine Blätter mehr, nur noch Äpfel – und nicht wenige Vögel sind zu sehen, die an Äpfeln picken. Entlang der Straßen stehen oft Schlehenhecken. Der erste Frost war da, die Früchte sind süß, und wenn man Schlehen- oder Hagebuttenmarmelade machen wollte, müsste man ernten.

Eigentlich haben wir kein bestimmtes Ziel, nur eine Richtung, und wollen auf der Fahrt wie bei einem Spaziergang diese Landschaft im Umbruch vom Herbst in den Winter genießen. Eher ist an ein paar mal aussteigen aus dem Auto mit ganz kurzen Spaziergängen gedacht, denn das Thermometer zeigt zwischen -2 und -4 Grad, und als Dreingabe gibt’s noch Wind, was die Sache nicht heimeliger macht. Aber wir haben ein Wetter, das zwischen dicken Wolken und Sonnenschein pendelt – immerhin etwas.

Die ersten kurzen Stopps mit dem Auto bringen schon viele Eindrücke – frostumrandete bunte Herbstblätter, Gräser mit Staubwedeln, Ginsterschoten mit Eiszackenrand, gepuderte Birken oder auch ein paar skurrile Äste, die manchmal an Tiergestalten erinnern. Irgendwann dann, kurz vor der Hohen Acht, sehen wir einen Wegweiser nach links, Aufschrift „Wacholderheide“. Gelesen hatten wir schon irgendwo, dass es in der Eifel auch so etwas gibt, was wir bisher nur mit der Lüneburger Heide in Verbindung gebracht hatten.

Also steuern wir mal die Wacholderheide in der Eifel an – und sind nach ein paar Kilometern Fahrt durch ein paar Wälder überrascht, dass sich vor uns tatsächlich nicht ein Flecken Heide, sondern eine weitläufige Wacholderlandschaft auftut.

Gleich nach dem Tannenwald liegt ein Nordhang. Alles, was den Boden bedeckt, ist mit gefrorenem Tau überzogen, ebenso wie die Bäume. Man ist erstaunt und zugleich beeindruckt, und weiß nicht so recht, wohin zunächst schauen. Von den großen, solitär stehenden Kiefern auf der kargen Heidefläche hat jede ihren eigenen Charakter – kein Baum gleicht dem anderen, und alle haben ihre besonderen, zum Teil auch skurrile Formen entwickelt. Die im Licht glänzenden Laubbäume am Rand der Heide wirken vor allem in der Gruppe, und fast wie eine dunkle Wand mit leichten weißen Flecken wirkt der Tannenwald an einer Seite.

Kommt die Sonne zwischen den Wolken hervor, glitzert all das, was am Boden zu sehen ist – vor allem überall die Pflanze, die immer mit der Heide in Verbindung gebracht wird, Erika. Jetzt in der beginnenden Winterzeit zeigt sie sich allgemein mehr als struppiges Bodengewächs; nur an wenigen sonnigen Stellen sind noch einige lila Blüten erkennbar. Aber der Frost hat sie ein wenig umgezaubert. Dort, wo sonst die lila Blüten prangen, zeigt sich jetzt weißer Puder, geschmückt mit glänzenden gefrorenen Wasserperlen.

Überall glitzern Eiskristalle an Gräsern und Zweigen in unterschiedlichsten Formen. Man ist erstaunt, welche Formen sich überall zeigen. Ein morscher Ast, mit noch ein paar Pilzen dran, hat sich eine Igelfrisur zugelegt. Die kleine Wasserpfütze zeigt Wellenmuster wie am Strand. Grashalme mit Fruchtständen haben sich einen Mantel angelegt, sehen so ein wenig nach Seeanemone aus. Laubbäume haben Kämme entlang kleiner Äste oder Hauben auf Knospen.

Kleine Tannenbäumchen, die vereinzelt herumstehen, sind wie mit Zuckerguss überzogen und zeigen an den Spitzen Trompetentrichter. Eine kleine Weide mitten drin schaut aus wie ein Igel. So ziemlich alle Zweige glänzen, ob im eher dämmerigen Wolkenlicht oder im Sonnenlicht – sie sind etwas mit Eis „verglast“, gefrorenem Tauwasser, und mit glänzenden Eiskristallen in unterschiedlichsten Formen besetzt.

Aber auch alle anderen Gräser und Zweige haben ihr Frostgesicht angezogen und bieten unterschiedlichste, zum Teil unglaubliche Kristalle als Verzierung an. Kleine Äste haben eisstacheln entwickelt, ein Zweig schmückt sich mit einem Eiskamm, Laubblätter haben eine weiße, kristallene Umrandung. Einige Farbtupfer bieten Hagebutten oder Pfaffenhütchen.

In der Vergangenheit haben Ziegen und Schafe dafür gesorgt, dass diese Landschaft entstand. Die Flächen wurden abgeweidet, nur von den Tieren gedüngt, und so entstand das karge Heidegebiet. Nachdem Ziegen und Schafe ab den 60er-Jahren vergangenen Jahrhunderts kaum mehr gehalten wurden, eroberte der „normale“ Wald das Gelände ziemlich zurück, zudem wurde aufgeforstet, Erholungsnutzung kam dazu. Erst nachdem erkannt wurde, welch seltenen und auch geschützten Tier- und Pflanzenarten in der Heide leben, gab es Schutz- und Pflegemaßnahmen, um die Heidelandschaft zu erhalten.

Fast vergisst man bei all den Eiskristallen und Eisbildern die Pflanze, die der Landschaft ihren Namen gibt – den Wacholder, eine Zypressenart. Ein sehr individuelles Gewächs, wie es den Anschein hat. Mal präsentieren sich die Büsche vereinzelt, mal in Gruppen. Dann entwickeln sie unterschiedlichste Formen und Gestalten, oft recht hohe Säulen, manchmal schaut alles aus wie ein Bodendecker, und sehr häufig sind es Buschgruppen mit wild ausladenden Wedeln. Früchte sind keine dran zu entdecken, die Erntezeit ist im September und Oktober, wenn hier überhaupt geerntet wird, und wenn nicht, waren die Vögel bereits an den Früchten.

Von diesen struppigen, etwas unförmigen und auch etwas stacheligen Büschen stammen die schwarzblauen Wacholderbeeren. In der Küche sind sie ja zumindest im Alltagsgebrauch weitgehend verschwunden, abgelöst durch Gewürzmischungen und manchmal noch erkennbar in Konserven. Aber wer hat heute noch Wacholderbeeren in Reserve, um Wildgerichte, Sauerkraut oder Linsen selbst abzuschmecken – aber nicht nur für den Geschmack, sondern auch, um das Essen bekömmlicher zu machen? Nur diejenigen, die sich mit Naturheilmitteln auskennen, wissen auch um die mögliche Heilwirkung des Wacholders – erhöhte Wasserausscheidung, bessere Verdauung, Hilfe bei Gicht und Muskelschmerzen, antibakterielle Wirkungen …

Neben all solchen Dingen, über die man unwillkürlich nachdenkt, vergisst man fast, was sonst noch so alles zu sehen ist. Baumreste, die an sich schon interessant ausschauen, zusätzlich noch mit Kontrastfarben des Eises; Brombeerblätter, bei denen man den vereisten kleinen Blattstacheln sofort erkennt, zu was sie alles fähig sind; verknuddelte vereiste Spinnengewebe; Gräser, die sich wegen der angefrorenen Tautropfen tief verneigen.

Zurück zum Wacholder. Weitgehend vergessen in der Küche und als Hausmittel. Aber was jeder inzwischen kennt, ist das Zweigchen mit ein paar Beeren dran, das meist die Flasche eines Getränks ziert, das derzeit Kultstatus hat – Gin. Der Wacholderschnaps, von dem einige glauben, er würde aus Wacholder gebrannt, der aber in Wirklichkeit nur ein neutraler Alkohol ist, meist aus Getreide, der mit Wacholder und anderen Kräutern aromatisiert ist. Bei der Gin-Herstellung werden die Wacholderbeeren mehrere Stunden in den Alkohol eingelegt, so dass sie ihren bittersüßen Geschmack an das Destillat abgeben können – und das nennt sich dann Gin.

Natürlich gibt es in der Eifel einige kleine Destillerien mit gutem Namen, ob Schütz in Grafschaft-Lantershofen mit einem hoch prämierten Gin, Zenders in Wolsfeld mit seinem aromatischen Bernhards 1806 oder die kleine besondere Brennerei Jaquemain in Nöthen bei Bad Münstereifel.

Nebenbei angemerkt: Steht mal ein Wacholder im Garten und hängen rote Beeren dran, hört man oft, dass diese hoch giftig wären. Wie so oft heißt die Antwort „jein“ – in Europa kommen zwei Arten vor, der sogenannte Gemeine Wacholder und der giftige Sadebaum. Im Gin und im Sauerkraut schwimmen die Beeren des Gemeinen Wacholders. Es kommt also wie immer einfach drauf an, was man hat, und dass man es erkennt.

Aber vorbei mit den Abschweifungen von unseren Entdeckungen. Wir spazieren noch ein wenig, eher kurz durch die Heide, sind schnell wieder etwas angefroren und durchgefröstelt zurück im Auto. Auf dem Rückweg geht es auf die Mittagszeit zu, und langsam verschwindet die weiße Dekoration auf den Bäumen und Gräsern, nur an den Nordseiten der Hänge ist noch etwas zu sehen.

Durch dichte Wälder und weite Felder, vorbei an vielen Vulkankegeln und an der Burg Olbrück geht es zurück nach Hause.

(#Deutschland, #Eifel, #Natur)

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. geburtstagsreise20 sagt:

    Das war ja mal wieder e

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