Landschaft entdecken, und etwas mehr über Vietnam wissen
Vietnam- und Kambodscha-Reise,
Bericht 11
Es geht los, von Hà Nội nach Bãi Cháy an der Vịnh Hạ Long. Da die Schriftzeichen in Vietnam für Ostasien unüblich und unseren ähnlich sind, worüber es auch kurz im vorherigen Bericht ging, lässt sich unschwer erkennen, dass wir von Hanoi aus nach Bai Chay fahren, einer kleinen Stadt an der berühmten Halong Bucht. Wir sind ziemlich gespannt, was uns erwarten wird – schließlich ist das eines der wichtigsten und am häufigsten beschriebenen Reiseziele im nördlichen Vietnam. Natürlich tragen wir im Kopf die vielen Bilder mit uns herum, von der Meereslandschaft mit den bizarren steilen Kalkfelsen und den schwimmenden Dörfern, wie sie in in allen möglichen Reportagen zu sehen sind.

Aber zunächst geht es noch kreuz und quer durch Hanoi, erst einmal durch die altbekannten Viertel der Altstadt. Wie wir schon gewohnt sind wuseln überall die Mopeds und Roller, entlang der Straßen wird gekocht und gegessen, die Straßenverkäufer sind unterwegs und die Geschäfte präsentieren ihr Waren, oder es wird auch mal an der Straße eine Hängematte aufgehängt, für die kleine Pause.








Auch für uns geht es erst einmal zum Essen, in ein kleines vietnamesisches Restaurant. Auf dem Tisch liegt bereits die Menükarte, die wenig spektakulär klingt – aber auf den Tisch kommen dann sehr leckere traditionell gekochte, typische Speisen, vielseitige kleine Portionen in unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen.






Nach dem Essen geht es zur großen Hauptstraße, die aus der Stadt hinausführt. Es ist eine neue Straße, quer durch die Stadt gelegt, mit einer etwa vier Kilometer langen Befestigungs- und Begrenzungsmauer, die komplett mit Mosaiken verziert ist – szenische Darstellungen aus dem Alltagsleben, Ornamente, Blumenmuster und mehr.

Hinter der Mauer oder auf der Böschung drüber stehen die Wohn- und Geschäftshäuser, in Innenstadtnähe noch viele Bauten, die in der Kolonialzeit entstanden sind, etwas weiter draußen dann eher schmucklose Zweckbauten. An dieser Straße fällt so richtig auf, wie schmal die Häuser gebaut sind, nur so etwa drei bis fünf Meter breit; interessant ist, dass sich diese Bauweise auch bei traditionell orientierten Neubauten erhalten hat.







Es geht auf eine für vietnamesische Verhältnisse sehr lange Strecke, 160 km weit weg, zur Halong Bucht – Fahrtzeit etwa vier Stunden, weniger den Straßen selbst, sondern mehr dem Straßenverkehr geschuldet. Unser Busfahrer legt einen zackigen Fahrstil vor. Wer am Straßenrand etwas sehen will, muss schnell schauen – nicht wegen ungeahnter Höchstgeschwindigkeiten, sondern einem schnell durchgetretenen Gaspedal und kurzfristig heftig getretener Bremse. Wir sind im Schnell-Langsam-Rausch – die vielen Mopeds und wenigen Autos rundum machen es möglich.

Wir lassen Hanoi hinter uns. In der Ferne sehen wir noch die Hochhäuser der Außenbezirke von Hanoi, entlang der Straße liegen immer mehr landwirtschaftliche Flächen. So ein wenig haben wir ab jetzt ein Parallel-Programm, zum einen viele Informationen über Vietnam, zum anderen beeindruckt uns all das, was entlang der Strecke zu sehen ist. Kaum heraus aus Hanoi durchfahren wir ein landwirtschaftlich geprägtes Gebiet, vor allem Reis- und Gemüsefelder, dazwischen mal Fisch- und Ententeiche, verstreut kleine Städte und Dörfer.

So ein wenig nutzen wir die Zeit, Infos über Vietnam bei unserem vietnamesischen Reiseleiter einzusammeln, zu Politik, Wirtschaft, zum Bildungs- und Gesundheitssystem und mehr, natürlich auch Fragen zu unserem ersten Ziel, der Halong Bucht, die weltberühmte Fels- und Klippenlandschaft im südchinesischen Meer. Wir wissen nicht mehr so recht, ob die Spannung, was uns erwartet, steigen oder ob sich eine erste kleine Enttäuschung schon einschleichen soll: Er erzählt, dass sich in Ha Long sehr viel verändert habe. An der Bucht entlang viele neue Hotels, Hochhäuser, Baustellen für Hotels und ein riesiger Freizeitpark, die alte Stadt Bai Chay sei fast verschwunden.

Die Regionalregierung möchte den Tourismus fördern, und das sind vor allem chinesische und koreanische Gäste, auf die alles abgestellt wird. Nur noch die Fischerboote sind bunt. Die Holzschiffe, mit denen die Touristen durch die Bucht gefahren werden, müssen weiß gestrichen sein, was zur Folge hat, dass überall dort, wo Metall mit Wasser in Berührung kommt, Rostflecken entstehen – also alles etwas unansehlich. Ein hoher Beamter war, wie es hieß, bei einem Europabesuch begeistert von all den weiß lackierten Schiffen – und danach gab es die Anordnung, dass alle Boote in der Halong Bucht weiß sein müssen. Noch weniger schön: Seit zwei Jahren gibt es kaum mehr schwimmende Dörfer in der Bucht – sie sind verboten, Begründung Umweltschutz und Wasserverschmutzung; die Menschen wurden umgesiedelt. Verblieben seien nur wenige Anlegestellen für Fischerboote und kleine Fischzuchten.



Und schon waren wir wieder konfrontiert mit dem Regierungssystem, das sehr strikt hierarchisch strukturiert ist und den Entscheidungsträgern sehr umfangreiche Befugnisse einräumt. Was angeordnet wird, ist durchzuführen. Generell scheint es auch so zu sein, dass parteiliche Zugehörigkeit mehr Bildungs- und Aufstiegschancen, damit auch mehr Wohlstand eröffnet. Meinungsfreiheit geht stark einher mit Linientreue – aber andererseits ist eine breite Vielfalt an Meinungen über Internet und Fernsehen problemlos greifbar. Das System zeigt sich hinsichtlich der Einhaltung der offiziellen Linie ziemlich rigide – und doch sind Auslandsbesuche, Auswanderung, Geldtransfer usw. recht problemlos möglich.

Wirtschaftlich gibt es seit etwa zwei Jahrzehnten eine Liberalisierung, die privatwirtschaftliches Handeln zulässt, was zu einem deutlichen Aufschwung geführt hat, auch zu einem allerdings immer noch sehr begrenzten Wohlstand der Bevölkerung. Allerdings haben sich dadurch die Produkte „Made in Vietnam“ so weit verteuert, dass Handelsketten aus europäischen Ländern, die bisher in Vietnam produzieren ließen, nun zum Billigproduzenten China abwandern, um dort noch billiger Kleider, T-Shirts, Hemden, Hosen und ähnliches herstellen zu lassen. Wobei Verteuerung an Löhnen gemessen heißt, dass zum Beispiel Näherinnen, die in Vietnam in kleinen Fabriken Bekleidung für Europa herstellen, drei bis fünf Dollar pro Tag verdienen.

Nachholbedarf gibt es auch im Bildungssystem – wohlhabende Vietnamesen schicken ihre Kinder auf teure Universitäten zum Beispiel in England und in die USA, nicht ganz so wohlhabende nach Deutschland oder Österreich, wo die Kosten eines Studiums deutlich niedriger sind. Hochschulen in Vietnam sind nicht zwingend schlechter, auch diejenigen sind es nicht, die dort studieren. Ursache ist eher eine statusbezogene, mehr scheinbare Verpflichtung wohlhabender Eltern, ihre Kinder im Ausland studieren zu lassen. Generell gibt es nur eine Schulpflicht bis zum fünften Schuljahr, die jetzt auf neun Jahre ausgedehnt werden soll.

Etwas krass zeigt sich das Gesundheitssystem, soweit wir das mitbekommen haben. Es gibt zwar so etwas wie eine Krankenversicherung, aber im Krankheitsfall muss man im allgemeinen Gesundheitssystem etwa ein Drittel der Kosten zuzahlen, die anderen Kosten vorstrecken, bekommt sie später zurück. Ärzte würden, hieß es, erst nach Vorabbezahlung behandeln – fast ein Ausschlusskriterium für die ärmere Bevölkerung. Die Gesundheitsversorgung sei insgesamt eher schlecht; im Krankenhaus für die „normale“ Bevölkerung kämen zwei bis vier Patienten auf ein Bett. Ganz anders dagegen die Situation für alle diejenigen, deren Geldbeutel etwas besser gefüllt ist … Sie begeben sich in Privatkliniken oder lassen sich in Thailand oder in westlichen Ländern behandeln.

Es gibt eine Unterbrechung zwischen all den Informationen. Wir kommen an einer Zwischenstation auf unserem Weg zur Halong Bucht an, an dem es etwas zu besichtigen gibt, eine Steinmetz-Werkstatt. Darüber und über die weitere Fahrt zur Halong Bucht geht es im nächsten Bericht.
(#Vietnam, #Hanoi, #Halong)