Flut-Katastrophe im Ahrtal – vier Wochen später …

Bei uns ist noch lange nicht wieder der Alltag eingekehrt. Wir leben immer noch in der Ferienwohnung im Sauerland, pendeln immer mal wieder rüber nach Neuenahr, weil doch einiges vor Ort zu erledigen ist. Etwa vier Wochen nach der Flut waren wir wieder einmal in Bad Neuenahr, einige Dinge erledigen. In Linz geht es wie immer mit der Fähre über den Rhein, nach Remagen-Kripp, und von dort aus direkt hinein ins Ahrtal. Bei strahlendem Sonnenschein ist das Rheintal romantisch wie immer, und man kann noch nicht ahnen, wie es hinten in den Orten entlang der Ahr ausschaut.

Im Sauerland sind viele Anrufe und Emails bei uns eingetroffen, mit guten Wünschen und vielen Hilfsangeboten – für die wir ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Wir waren unglaublich beeindruckt von sehr vielen Angeboten von überall her, sogar von Freunden aus Ostengland. Gar ein wenig traurig waren und sind wir darüber, dass wir nicht bei all denen sein können, die uns angeboten haben, bei ihnen zu wohnen, ob für eine Auszeit zwischendurch oder so lange, bis unsere Wohnung in Neuenahr wieder bewohnbar ist – ob in Winterberg, Bonn, Weilerswist, Freiberg, Gütersloh, Grafschaft, Freiburg, Bichl, Düsseldorf, Ulm …

Zwischen Deponien, Schrottbergen und Schotterhaufen

In Bad Neuenahr angekommen, geht es gleich vorbei an ersten Müllbergen und Schotterhaufen. Direkt am Ortseingang liegt eine der neuen großen Deponien, zu denen der Schutt und Abfall abgefahren wird, der in der ganzen Stadt eingesammelt wird. Reihenweise kommen hier die zügig fahrenden Lastwagen und Traktoren mit ihren Anhängern an, wirbeln dichte Staubwolken auf, die die Straße geradezu einhüllen.

Gleich daneben liegt der große Parkplatz des Apollinarius-Stadions, der sich wie viele andere Parkplätze, die wir später sehen werden, inzwischen zu einem fast unübersehbar großen Autofriedhof verwandelt hat. Hier sind in mehreren Lagen die Fahrzeuge gestapelt, die in der Flut zu Schrott gewandelt wurden.

Eine Stadt wird entsorgt

Auf dem Weg durch die Innenstadt kommen wir immer wieder vorbei an kleinen Schuttbergen, die sich vor den Häusern auftürmen. Überall ist das Erdgeschoß ziemlich zerstört. Unglaublich, dass selbst oben in der weit weg von der Ahr liegenden Hauptstraße die Häuser noch bis Mitte Erdgeschoß unter Wasser standen, wie die Wasserlinien an den Hauswänden anschaulich zeigen. Bei einigen Häusern zeigt sich das Erdgeschoss in einem Zustand, der an Rohbau erinnert; der Verputz ist weg, das ziemlich nasse Gemäuer liegt frei.

Aus Fensteröffnungen werden jetzt nicht mehr Möbel und Hausrat geworfen, jetzt sind es eimerweise Verputz, der auch im Innenbereich von den Wänden geschlagen wird, Fußbodenbeläge, Bretterdielen, Isolationsmaterial und mehr. Die leeren Fensterrahmen wirken fast gespenstisch. Hauswände sind mit Schlamm bespritzt, und immer noch stehen mit Schlamm überzogene Autos in vielen Gärten.

Überall hat man den Eindruck, dass alle versuchen, ihr Wohnhaus zu retten, so gut es geht. Aber vielerorts ist leider eben auch zu sehen, dass alle Anstrengung vergeblich gewesen ist. An vielen Stellen sind schon Baulücken dort zu sehen, wo man noch irgendein Gebäude in Erinnerung hat, und manchmal ist es ein Haufen Bauschutt, der von einem gerade abgerissenen Gebäude übrig geblieben ist. Geradezu unwirklich wird es, wenn sich ein paar Straßen weiter hangaufwärts die Szenerie schlagartig dort ändert, wo das Wasser nicht mehr hingekommen ist – da ist alles wie es einmal war, gepflegte Häuser und schmucke Vorgärten.

Versorgung zwischen Staubwolken

Zwar sind die Straßen wieder einigermaßen befahrbar, aber über der ganzen Stadt liegt eine Staubschicht wie von feinkörnigem Wüstensand – aber der Staub in Neuenahr ist belastet mit all dem, was man nicht wissen möchte, und verwandelt sich bei geringsten Regentropfen in eine glitschige Schlammmasse. Es ist laut, weil überall Bagger und Raupen am Werk sind, Lastwagen und riesige Traktoren mit Anhängern Müll abfahren, die Feuerwehr Wasser ausliefert, Generatoren laufen, Kanalreinigungsgeräte und -fahrzeuge lärmen und üblen Geruch verbreiten.

Immer wieder ist entlang der Straßen eine der Verpflegungsstationen zu sehen, die Essen für die Bewohner und Helfer anbieten. Auf Auslagetischen liegen oft auch Lebensmittel zum Mitnehmen, ebenso wie Geräte und Handwerkszeug oder Reinigungsmittel. An größeren Stationen sind Duschzelte und ganze Reihen von Toilettenhäuschen aufgebaut, für die Helfer und auch für die Bewohner der vielen Wohnungen, die immer noch nicht komplett versorgt sind. Am Bahnhof steht der Medibus; anscheinend ist die ärztliche Versorgung in der Stadt immer noch nicht so wie erforderlich.

Blickt man in eine der Straßen mit den einst vielen Läden, Restaurants, Cafès, Eisdielen, kleinen Hotels, Metzgereien, Bäckereien und mehr hinein, kommt unweigerlich die Frage auf, wann dort wohl wieder die gewohnte Geschäftigkeit einkehren kann. Hier ist überhaupt nichts davon übrig geblieben, was einmal entlang der Straßen war – kaum zu glauben, dass man hier vor kurzem noch im Straßencafè oder in der Eisdiele gesessen ist.

Unser Weg führt uns ein wenig hinein in die einst geschäftige Innenstadt, die in Bad Neuenahr für ein recht reges Stadtleben und damit auch für Lebensqualität stand – es war einmal weit mehr geboten als in vielen Städten ähnlicher Größenordnung. Aber dazu mehr im nächsten Bericht.

(#Deutschland, #Ahrtal, #Katastrophe)

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