Entlang des Ärmelkanals mit der MS Deutschland – Bericht 3
Ein Tag in London, angekommen mit dem Schnellboot von Greenwich, wo unser Kreuzfahrtschiff, die MS Deutschland, mitten in der Themse vertäut ist. Dass sich die Stadt rasant verändert, haben wir bereits vom Boot aus gesehen.

Längst sind es nicht mehr die alten Wahrzeichen, die das Stadtbild prägen, sondern alles überragende Hochhäuser oder das Riesenrad namens London Eye.



Vom Schnellboot-Anleger, gleich bei den Houses of Parliament, geht es bei Sonnenschein und tiefblauem Himmel vorbei am Big Ben, über den Parliament Square Garden mit der St. Margaret’s Church, dahinterliegend von hier aus etwas versteckt die Westminster Abbey. Wenig ist los auf den Straßen, kaum Autos, dafür Fahrräder und viele Fußgänger – man merkt doch, dass in London bereits vor einiger Zeit die Autos weitgehend ausgesperrt wurden. Hier im Stadtteil Westminster zeigt sich noch das „alte London“, nicht die Stadt der monumentalen Wolkenkratzer, sondern das England vergangener Jahrhunderte, mit stilvollen Gebäuden, Parkanlagen und Denkmälern – die Verbundenheit mit alten Traditionen, veranschaulicht zum Beispiel im Parlamentsgebäude, dem palastartigen High Court, nicht zuletzt durch den Buckingham Palace, hinüber gerettet in die Moderne.






Unser Weg führt in Richtung Buckingham Palace, entlang des St. James Park, einem klassischen englischen Park mit altem Baumbestand, inmitten ein See, entlang der Wege farbenprächtige Blumenbeete.







Angekommen am Buckingham Palace. Eine Fahne weht, aber es ist „nur“ die britische Nationalflagge, nicht diejenige des Königshauses; die Queen ist also nicht Zuhause. Vor dem Palast stehen die Wachen; anscheinend wird hier bereits auf die Wachablösung gewartet. Auch um den Palast herum zeigt sich eine Blumenpracht.






Schnell sind wir aus dem eher edlen Westminster-Stadtviertel heraus, schlendern kreuz und quer durch die Straßen und erreichen irgendwann den Piccadilly Circus – immer noch rege, aber seinen früheren Glanz aus Zeiten der beginnenden Neonreklame hat er doch ziemlich verloren.





Nördlich liegt Soho, der Stadtteil, der irgendwie die alten Zeiten noch widerspiegelt, im Kontrast zur modernen oder gepflegt historischen Innenstadt. Die für heutige Zeiten recht kleinen Gebäude, manchmal modernisiert, öfters eher heruntergekommen. Das pulsierende Straßenleben, mehr Lebensstil symbolisierend als das eher hektische Schreiten und Treiben in den Einkaufs- und Bürovierteln. Ladengeschäfte mit teilweise skurrilen Auslagen, manches immer noch etwas zwielichtig, aber auf jeden Fall bunt und schrill. Kneipen und Bars, denen man den Zahn der Zeit ansieht, die aber Ausstrahlung haben und so allerhand an abendlichen Veranstaltungen ankündigen – Musik, so wie schon seit langem in Soho.

Irgendwie scheint hier die Zeit etwas stillgestanden zu sein. So ein wenig erinnert das alles noch an die Zeit, in der die Carnaby Street das Ziel der Musikfans war und die Beatles ihren Song „Last Night in Soho“ veröffentlichten, und im angrenzenden Stadtteil Mayfair ihr letztes Konzert gaben – auch einige ihrer Songs entstanden nicht in der Abbey Road, sondern in den Trident Studios in Soho – zum Beispiel Hey Jude. Es ist der Stadtteil, in dem in den 60er- und 70-Jahren die Beatles, Rolling Stones, Led Zeppelin, Manfred Man, The Who, Yes, Jethro Tull, Pink Floyd, David Bowie, Jimi Hendrix, Moody Blues oder The Police die Musikszene prägten, vor allem im längst geschlossenen Marquee Club. Mittlerweile streichen die Touristen durch das Quartier – aber das hat es wahrscheinlich auch vor der Modernisierungswut, die sonst in London herrscht, gerettet.


Hier in Soho gibt es anscheinend noch so etwas wie den „normalen Londoner“ – so etwas wie Alltagsleben, und somit auch Fish & Chips, darunter einen ganz traditionellen Laden, Poppies, es soll einer der Besten sein. Wir futtern dort einen Haddock – wirklich hervorragend. Wenn man nicht noch vorhätte, ein paar Straßen weiter noch etwas völlig anderes zu probieren, würde man sich ein zweites Mal die Finger voll fettig machen …


Ein paar Straßen weiter, immer noch im Stadtteil Soho, ist man nämlich mitten in China angekommen. Chinatown. Ein paar Straßen gefüllt mit China. Restaurants, Imbissbuden, Apotheken, Massagesalons, Supermärkten, chinesischen Bäckereien und Patisserien, Banken und mehr.

Über den Straßen rote Lampions, auf den Straßen unzählige Menschen, sicherlich sehr viele Touristen, und diese scheinen vorwiegend aus Fernost zu kommen – oder vielleicht auch diejenigen, die aus dieser Region kommend hier in London leben.

Das Essen macht einen sehr authentischen Eindruck – auf den Speisekarten ist vieles versammelt, was man nicht so wirklich identifizieren kann. Gekocht wird bei den meisten Restaurants so, dass man von draußen durch die Scheiben zusehen kann – und in den Schaufenstern hängen dann eben auch die gegrillten Enten, Hühner oder Schweineteile. Und auf dem Hackbrett drunter wird kleingehackt, nicht entbeint, extra für Europäer, sondern so wie es sich gehört, mit allen Knochen drin. All das, was in den Patisserien zu sehen ist, scheint nicht nur wirklich süß zu sein, sondern ist vor allem fröhlich bunt.





Wir wollen auf jeden Fall noch Dim Sums probieren – also die in den Bambuskörben gedämpften Teilchen, so ein wenig wie Maultaschen bei uns gemacht, eben auf chinesisch. Manchmal sind diese ja auch bei uns Zuhause in den Restaurants zu haben – angeblich „home made“, aber in der Regel aus der Gefriertruhe, sonst würde man diese nicht so gleichförmig aussehend und schmeckend überall bekommen. Hier in Chinatown werden die Dinger tatsächlich selbst gemacht.




Wir entscheiden uns für eines der Restaurants. An einer Arbeitsplatte am Fenster stehen vier Köche – einer hackt irgendwelche Zutaten zusammen für die Füllung, einer rollt Teigwürste, einer macht kleine runde Teigplättchen, einer anderer füllt diese und verschließt sich fast schon kunstvoll. Ab in den Bambuskorb und in den Steamer, nach kurzer Zeit auf dem Tisch. Wir nehmen einige, die mit Fisch und Shrimps gefüllt sind, erwischen dabei auch ein paar, die noch angebraten werden. Alle schmecken ausgezeichnet, höchst unterschiedlich, fein, leicht und variierend gewürzt. Über das Farbenspiel wundern wir uns etwas …

Eigentlich könnte man hier in Chinatown noch viel mehr Zeit verbringen, noch mehr Schaufenster mit ziemlich gefährlich ausschauenden Küchenutensilien anschauen, oder in den Apotheken sich darüber wundern, woraus man medizinische Wundermittel zaubern kann. Aber wir haben nur den einen Tag in London, und der ist fast vorbei – also weiter.



Kontrastprogramm. Gerade sind wir von Soho in den Stadtteil Convents Garden gewechselt. In Richtung Themse geht es durch die St. Martin’s Court – eine Straße gesäumt mit Pubs und Restaurants, dann durch die St. Martins Lane.



Diese Straße ebenso wie die Nebenstraßen rundum sind gesäumt mit prunkvollen historischen Gebäuden, einigen Hotels der Edelklasse, und vor allem mit einer Ansammlung von prächtig ausgestatteten Theatern, alle entstanden gegen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Steuert man von Soho aus die Straße an, geht es gleich vorbei am Prince Edward Theatre und an der Shaftesburs Avenue am Palace Theatre. Dann fällt das St. Martins Theatre auf, entlang der Strecke ein paar kleinere Theater. Die Liste der Namen ist fast endlos. Es geht vorbei am Noël Coward Theatre, nach ein paar Metern auf dem St. Martin’s Court das Wyndham’s Theatre. Ein paar Schritte weiter liegt das Duke of York’s Theatre, an einem kleinen Platz an der Seite das Garrick Theatre. Das Straßenbild wird dominiert vom dominiert vom London Coliseum, wie auch bei den anderen Gebäuden schon die Fassade beeindruckend, aber hier noch mehr der an eine Kirche erinnernde Turm, obenauf eine Kugel. Und ein paar hundert Meter weiter sind das Lyceum Theatre, das Theatre Royal, das Royal Opera House und einige Theater mehr.

Leider haben wir keine Möglichkeit für eine Innenbesichtigung der prächtigen Theatersäle, die wir auf den Plakaten sehen; nur manchmal lässt sich ein Blick durch die Fensterscheiben auf die Eingangsbereiche erhaschen.





Gegessen haben wir gerade zuvor in Chinatown noch in strahlendem Sonnenschein – jetzt schlägt das Wetter um, dicke schwarze Wolken ziehen auf, es fallen vereinzelt Regentropfen.
Wir steuern den Trafalgar Square an, sind schon ziemlich schlapp, umrunden den Platz und genehmigen uns einen Cappuccino in einem kleinen Cafè direkt am Platz, mit bester Aussicht auf das Geschehen. So wirklich Charme hat der Platz allerdings nicht, noch weniger bei dieser Wetterlage. Da hilft dann auch das neue Kunstwerk nicht weiter, der Sahnehaufen mit Kirsche obendrauf, samt Drohnen-Fliege; aber das Ding soll ja irgendwann 2022 wieder abgebaut werden.



Aber dann ist richtige Pause angesagt, also zurück zum Kreuzfahrtschiff. Ab zum Schnellboot, vorbei noch am Sherlock Holmes Pub, für den wir uns keine Zeit mehr nehmen. Es geht zurück nach Greenwich, zunächst mal wieder unter der Tower Bridge hindurch, entlang der Themse wieder all die Sehenswürdigkeiten – und alles nicht mehr bei schönstem Sonnenschein wie am Morgen, sondern jetzt bei wolkenverhangenem Himmel.



Wieder beeindrucken entlang der Strecke die Büro- und Wohngebäude – kreativ, ungewöhnlich, vielfältig. Hier leben und arbeiten äußerst viele Menschen auf engstem Raum, dicht an dicht, und doch hat alles den Anschein, so ein wenig die Individualität zu wahren. Seien es die kleineren, eher noch überschaubar scheinenden Gebäude, oder die großen Arbeits- und Wohntürme, oft so groß, dass sie eine Kleinstadt fassen können – sie alle zeigen sich in erstaunlicher Unterschiedlichkeit.











So etwas erholt sind die Beine nach knapp halbstündiger Fahrt. Das Wetter ist auch ein wenig besser geworden. Also wird nach einer kleinen Pause noch ein wenig Greenwich angeschaut. Dazu mehr im nächsten Bericht.
(#England, #London, #Essen)