Eine Flusskreuzfahrt im Winter mit der MS Andrea – Bericht 3
Nach ein paar Monaten sind wir also schon wieder einmal in Antwerpen. Das letzte Mal legten wir mit einem Hochseeschiff, der MS Deutschland hier an, direkt an der Stadt, an der Burg Steen; dieses Mal ist es ein Flusskreuzfahrtschiff, die MS Andrea, und wir liegen fast an derselben Stelle.

Über den Steg geht es direkt hinein in die Stadt, vorbei an den beeindruckenden hohen, verzierten Backsteinhäusern, die an den Ecken meist mit hellem Stein gefasst sind. Noch haben wir etwas fahles Morgenlicht, aber schon schnell wandelt sich die Farbe des Himmels in ein strahlendes, intensives, fast alles übertönendes Blau – ein krasser Kontrast zu den im Sonnenlicht glänzenden vergoldeten Figuren auf den Zinnen der alten Handelshäuser am Grote Markt.



Angesagt ist bei uns wegen klirrender Kälte wieder ein Tag mit kurzen Spaziergang-Etappen, unterbrochen mit kleinen Pausen im einen oder anderen Café oder damit, irgend etwas anzusehen, ob Museum oder Shop.
Die Dame auf dem Brabobrunnen, der auf dem Grote Markt, dem von historischen Gebäuden umstandenen Platz im Zentrum Antwerpens steht, präsentiert sich wieder ohne die leichte Bedeckung, die sie bei unserem Aufenthalt vor ein paar Monaten noch trug (siehe früherer Antwerpen-Bericht).




Bei einem Spaziergang in der Innenstadt überall auffallend: Die Modegeschäfte. Fast wie Kunstwerke dekorierte Schaufenster, Kleiderpuppen in den Fenstern und im Geschäft anmutend wie Models auf dem Laufsteg, Kleidung nach Stil und Farben sortiert – da gerät „man“ in Gefahr, tatsächlich mit „frau“ Zeit beim Shopping zu verbringen. Unglaublich, was die Belgier da so fertig bringen. Selbst die Räume sind auf die Präsentation optimal abgestellt, mal nüchtern und kühl, mal romantisch und verspielt. Entdeckungen macht man zum Beispiel am Graanmarkt, edelst, aber schlicht nur bezeichnet als Graanmarkt 13, bei Verso in der Gasthuisstraat, bei SN3 in der Kipdorpvest, oder bei Louis in der Lombardenstraat. Hier überall lohnt sich schon, nicht nur Kleidung, sondern die Arrangements anzuschauen.








Ebenso auffallend sind neben all den Modegeschäften die vielen Galerien, die den Eindruck vermitteln, sie wären kleine Museen moderner Kunst.






Fast schon versteckt dazwischen eingestreut sind einige Traditionsgeschäfte zu entdecken, vor allem Bäckereien, Patisserien oder Chocolaterien. Eher versehentlich „stolpern“ wir vorbei bei Gossens, einer kleinen traditionellen Bäckerei, in einem der schmalen typischen Häuser. Der Laden ausgestattet noch wie in Zeiten der „Tante-Emma-Bäckerläden“, eine der Damen im Service wie es scheint auch noch aus dieser Zeit; im Angebot nicht nur leckerst aussehende Backwaren, sondern auch so schmeckend. Auffallend ist, wie anders die handgefertigten Macarons im Vergleich zur Massenware ausschauen. Wir haben beim Einkauf etwas Glück, müssen nur kurz warten – aber als wir aus dem Laden gehen hat sich bereits eine Warteschlange weit in die Straße hinein gebildet. Direkt auf der Straße wird noch etwas probiert, bevor es in einem Cafè in der Nähe weitergeht.




Irgendwann kommen wir am Arenberg vorbei, einer der vielen Shouwburgen, also Theatern in Antwerpen, eine Bühne, die sich als Kulturhaus versteht, im Angebot Musik, Comedy und Kabarett, untergebracht in einem Gebäude, das von außen kaum als größeres Theater erkennbar ist. Natürlich gibt es um die Tageszeit, in der wir unterwegs sind, keine Vorstellung – aber der Mitarbeitereingang ist offen, und wir können uns ein wenig zumindest im Foyer umsehen.




Vorbei geht es am Graanmarkt in Richtung Rubenshaus, das wir uns ansehen wollen. In einem der historischen Gebäude am Platz ist ein stylisch-moderner Shop untergebracht – und für uns ist es wieder einmal Zeit, uns aufzuwärmen. Ein einladendes Entrèe, und wir landen in einem großzügigen, hohen Raum, locker auf Verkauf ausgestattet, das Angebot zwischen Mobiliar, Blumen, Gebrauchsgebenständen für die Küche und Schnickschnack ausgerichtet – und das alles übergehend in eine Restaurantausstattung. Vorne im Ladenbereich noch eher ein Cafè zwischen Verkauf und Blumen, dann das Bistro, schon eher wie ein Restaurant anmutend, schließlich das typische Restaurant immer besser ausgestattet bis hin zum Gormetrestaurant im historischen Turmzimmer. Einfach ungewöhnlich, das Piet grandeux, zusammen mit dem Restaurant Grandeux.



Häufig waren wir schon in Antwerpen, aber noch nie im Haus eines der berühmtesten Antwerpener, im Rubenshaus – aber irgendwie hat es uns dorthin nie gezogen, was sicherlich mit den zwar beeindruckenden, aber doch für unser heutiges Verständnis ziemlich schwülstigen Gemälden des Künstlers zu tun hat. Aber irgendwann, dann ist auch ein Besuch im Rubenshaus angesagt, so auch bei uns. Peter Paul Rubens, dessen Vornamen kaum einer nennt; es ist einfach Rubens. Familie Rubens war eine angesehene antwerpener Familie, die wegen religiöser Verfolgung Antwerpen verlassen musste – und so wurde der spätere Künstler im Exil, 1577 im nassauischen Siegen geboren. Im Alter von zehn Jahren ging es zurück nach Antwerpen, wo er bis zu seinem Tod 1940 lebte.




Es ist ein nicht gerade kleiner Palast, den wir durch eine Baustellenkonstruktion betreten – es wird gerade renoviert, und die Gartenanlagen werden neu gestaltet. Von Rubens wurde das Gebäude zu Beginn des 17. Jahrhunderts erworben, und dann nach seinen Plänen umgebaut und erweitert, orientiert am Stil römischer Bauten und der Renaissance – ein palastartiges Bauwerk, mit prächtigen Wohnräumen, großem Atelier, Gartenanlage und Pavillon. Hier entstanden etwa zweieinhalbtausend Gemälde. Nach einem teilweisen Abriss im 18. Jahrhundert, Aufbau mit neuen Gebäudeteilen im dann herrschenden Zeitgeschmack, Umnutzungen, ob für Privatzwecke oder gar als Gefängnis wurde es dann, Mitte des 20. Jahrhunderts ins Eigentum der Stadt Antwerpen gekommen, so gut wie möglich im ursprünglichen Zustand rekonstruiert und zum Museum – im engeren Sinne original sind nur noch das Tor zum Garten und der Gartenpavillon.



Im Gebäude fallen die aufwendig gestalteten Räumlichkeiten auf, gediegene Vertäfelungen, oft kunstvoll bemalt, Natursteinwände und stilvolle Kamine, überall Steinmetzarbeiten und Stuck, an den Wänden prächtige Tapeten und Delfter Fliesen, in den Räumen noch Mobiliar aus vergangenen Jahrhunderten. Noch mehr sind es die in den Räumen ausgestellten Arbeiten von Rubens selbst wie von einigen seiner Schüler. So ist in einem der Räume eine seiner frühesten Arbeiten zu sehen, Adam und Eva im Paradies, oder in der Speisekammer sein bekanntestes Selbstportrait.


Mit zu den Meisterwerken, die von Rubens hier zu sehen sind, gehören die Verkündigung – die biblische Szene, in der Maria vom Erzengel Gabriel die Nachricht erhält, dass sie die Mutter Christi werde, oder ein Portrait einer spanischen Dame, das ein Beispiel dafür ist, dass Rubens auch als Portraitkünstler gefragt war.


Ausgestellt sind im Rubenshaus auch Werke zeitgenössischer Künstler der Rubenszeit, darunter ein Werk, das vom Motiv her zu den interessantesten Gemälden gehören dürfte. Es trägt den Namen Kunstkammer von Cornelius van der Geest, der Künstler war Willem van Haecht. Im beginnenden 17. Jahrhundert entwickelte sich in Antwerpen ein exklusives Genre, die Kunstkammern, eine Bild-in-Bild-Technik. Auf dem Gemälde wurden im Kleinstformat die Bilder eines Kunstsammlers abgebildet, der so seine Sammlung präsentierte und zugleich ein weiteres Kunstwerk schaffen lies – so wie das Gemälde der Kunstkammer des Cornelius van der Geest, der auch Mäzen von Rubens war. Nebenbei: Leider ließ sich das Bild wegen Spiegelungen in der Fensterfront des Ateliers nicht besser fotografieren.

Überhaupt – im Rubenshuis sind nicht nur weitere Werke von ihm zu sehen; es zeigt sich geradezu ein Festival der großen Namen von Künstlern aus der Rubenszeit.

Jan van Dyk mit seinem Selbstportrait und weiteren Kunstwerken, das Gemälde von Jan Brueghel, auf dem Affen ein Festmahl feiern, Jakob Jordans Gemälde Neptun und Amphitrite, der Fischmarkt von Adriaen van Utrecht und Marten Pepijn und vielen mehr.



Ob Portraits, Alltagsszenen oder Allegorien – manch eine Darstellung erschließt sich oft nur dann, wenn man die Entstehungszeit der Gemälde mit einbezieht.

Eher befremdlich muten die Stilleben mit toten Tieren an, teilweise fast nachlässig abgelegt wirkend, oder wie vor der Zubereitung in der Küche präsentiert – und noch mehr die drallen Nackten, oft in merkwürdigen Konstellationen.





Irgendeines der großen Kaufhäuser in der Fußgängerzone ist jetzt in der Weihnachtszeit zu einem Super-Weihnachtsmarkt mutiert – mehr weihnachtlichen Kitsch kann es kaum geben, auf einer Riesenfläche über zwei Etagen hinweg. Vielleicht zieht hier über Ostern dann der Osterhase ein … Wer solchen Schnickschnack liebt, wird sich wohl eine Adventsfahrt im nächsten Jahr vorbeugend in den Kalender schreiben müssen.









In der Gegend rund im die Kloosterstraat und die Nationalstraat oder verstreut in der Stadt die Läden von Think Twice sind dann auch ein kleines Paradies für Second-Hand-Freunde. In einem der Läden waren wir direkt in die 60er- und 70er-Jahre zurückversetzt. Schrill bunte Kleidung, Batikhemden und Shirts, Schlaghosen und Original-Parkas, Boots und Plateauschuhe, Ponchos und Strickmäntel und was auch immer. Kaum zu glauben, was da alles die Zeit überlebt hat, gesammelt wurde und nun wieder im Verkauf landet.


An die für Antwerpen typischen Gründerzeit- und Jugendstilfassaden der Häuser fallen immer wieder höchst ungewöhnliche Gestaltungen auf, die ausschauen als habe sich jemand einen Spaß mit irgendwelchen Stilelementen erlaubt.



Natürlich geht es in Belgien nicht, ohne im einen oder anderen Pralinenshop etwas zu naschen. In Antwerpen findet man dafür vielfältige Gelegenheiten, nicht die mehr oder weniger edle Massenware, sondern kleine Chocolaterien, die ihre Kreationen anpreisen – und immer sind es durchaus lohnende Verlockungen, in verschiedensten Geschmacksrichtungen. Wie zum Beispiel auf unserer letzten Station, bevor wir zum Schiff zurückkehren, bei Günter Wattè. Da gibt es nicht nur leckere Pralinen, sondern auch selbst gerösteten Kaffee, sortenrein, aus den besten Kaffeeanbaugebieten der Welt. Wir probieren zwei verschiedene, einen aus Guatemala, einen aus Papua, beide höchst unterschiedlich, beide sehr fein.






Inzwischen ist es dunkel geworden, die Stadt ist weihnachtlich erleuchtet. Entlang dem Flussufer ist eine Kombination von Jahrmarkt und Weihnachtsmarkt aufgebaut, über den wir auf unserem Weg zum Schiff noch kurz schlendern. Zurück am Schiff, Abendessen, und schon geht es weiter, auf eine ziemlich lange Strecke, fast vorbei wieder an Rotterdam, bis nach Amsterdam.






Tipps für alle, die sich weiter informieren wollen:
– Phoenixreisen und die MS Andrea
– ein Bericht über die MS Andrea
– Informationen über Antwerpen
– einer unserer Reiseberichte mit Infos über Antwerpen auf http://www.traumreisezeiten.de
– mit der MS Deutschland unterwegs, unter anderem in Antwerpen
– Burg Steen, das Tor zur Stadt
– die Traditionsbäckerei Gossens
– das Arenberg-Theater
– einkaufen und essen im PIET grandeux und im Restaurant grandeux
– Designer-Mode bei Graanmarkt 13, bei Verso, bei SN3, oder bei Louis
– Pralinen und Kaffee bei Günter Wattè
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